Keine Angst, es gibt noch welche. Wir sehen sie nur nicht. Um Schmetterlinge zu sehen, müssen wir unsere Augen nur öffnen. Um Elfen zu sehen, müssen wir die Augen dagegen schließen.
Wir können wieder sehen lernen. Neon-Helligkeit hat unsere Augen geblendet. Alles Grelle und Bunte wird groß herausgezoomt – wozu da noch genau hinsehen? Für das Feine, das Kleine, schwanden uns die Sinne.
Und flach ist alle Tage unsere Augenwelt, flach wie ein Bildschirm. In die räumliche Tiefe zu sehen haben wir uns abgewöhnt. Darum sehen wir die Falter nicht mehr, auch wenn sie da sind. Und weil wir auch in die Seelentiefe nicht mehr schauen, sehen wir auch keine Elfen mehr.
Doch halt – huschte da nicht etwas von der Blüte aus unserem Gesichtsfeld? Ein Bläuling war es, ein Weibchen. Stahlblau prunken die Männchen, aber urlaubsbraun die Weibchen der Art. Es gibt sie noch. Wenn wir nur den Fokus unserer Augen wieder auf das Detail richteten, könnten wir sie bemerken..
Und unser inneres Auge, unser Augenmerk? Solange wir es nicht auf die zartgliedrige Welt der Falter einstellen, sehen wir gar nichts. Es gibt Menschen, die können gar nichts sehen, das kleiner ist als ein Rindvieh, sie hören nichts, das leiser ist als das Dröhnen ihres Rasenmähers, sie riechen nichts, das feiner duftet als Gülle. Sie bemerken Schmetterlinge allenfalls als Fleck auf der Windschutzscheibe.
Der Philosoph Plotin formulierte einst:
(Nie hätte das Auge je die Sonne gesehen, wäre es nicht selbst sonnenhaft. Und wenn die Seele nicht schön ist, kann sie das Schöne nicht sehen.). In jedem selbst steckt das Maß dessen, das er als schön zu empfinden vermag.
Die keltische Sage von Avalon erzählte, die Elfen umgäben uns wie eh und je. Wir sehen sie nur nicht mehr, weil man uns ausgeredet hat, daß es sie gibt. Viele Menschen wollen sie nicht mehr wahrhaben und können sie darum nicht mehr sehen. Auch die Schmetterlinge könnten wir endgültig aus den Augen verlieren. Verschwindet ihr feenhafter Zug nicht bereits am Horizont unserer landfressenden Maschinenzivilisation? Werden sie nicht tagtäglich mitsamt ihren Raupenkindern im Felde untergepflügt, am Ackerrain vergiftet? Verhungern sie nicht täglich in monotonen Agrarsteppen? Flammen nicht ihre Flügel auf im verzweifelten Versuch, angezündeten Urwälder zu entrinnen?
Umflattern die letzten ihrer Art den Zug der Waldelfen zu den Grauen Anfurten Tolkiens in „Der Herr der Ringe“?
Bald werden Menschen die Augen schließen und mit beseligtem Lächeln an jene ferne Zeit zurückdenken, als es noch Elfen und Schmetterlinge gab.
Sie können gern online hier
oder im Buch „Falterträume“ weiterlesen.
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