Überall herrscht Notstand. Der vorhergesagte Bildungsnotstand blieb zwar aus. In Europa ängstigt aber ein Klimanotstand das klimaphobe EU-Parlament. Und dann gibt es da natürlich überall jenen Nazinotstand. Die sich in Not fühlen, sehen überall Nazis, vor allem rechts von ihrem eigenen Standpunkt. Von dem aus haben sie einen weit reichenden Blick. Vom Feldherrenhügel ihres Gutmenschentums aus sehen sie überall Böses. Alles Böse ist rechts. Und alles Rechte ist böse.
Da: ein Wahlplakat der NPD! Staatlich beglaubigte Verfassungsfeinde! Ordnungswächter der kleinen hessischen Gemeinde Ranstadt bebten vor Empörung. Kurzerhand reißen sie das Wahlplakat ab. Eine gute Tat!
Die NPD fand das gar nicht gut und verklagte die Gemeinde vor dem Verwaltungsgericht Gießen. Dieses schrieb den amtlichen Ordnungswächtern erst einmal ins Stammbuch, daß sich der Staat selbst dann an rechtsstaatliche Grundsätze zu halten hat, wenn er entschieden im Kampf gegen Rechts für das Gute streitet: Das Plakat einfach abzureißen, war schon formell widerrechtlich, weil der NPD zuvor kein rechtliches Gehör gewährt worden war. Ein Kampf gegen Verfassungsfeinde mit verfassungswidrigen Mitteln ist vom Grundgesetz nicht vorgesehen.
In der Sache selbst herrscht in Wahlkämpfen Meinungsfreiheit – auch ein elementares Verfassungsgebot. Sie gilt natürlich nur im Rahmen der geltenden Gesetze, zumal des Strafgesetzbuchs. War das Plakat nach § 130 StGB als Volksverhetzung strafbar? Daß die Anwendung dieser Bestimmung immer „ein juristischer Hochseilakt“ (OLG Köln) ist, hatte ich in diesem Blog neulich anhand eines Strafprozesses aus Aachen erläutert. Das VG Gießen prüfte genau:
Die Aufschrift auf den Wahlplakaten: Stoppt die Invasion: Migration tötet! Widerstand – jetzt -, ist nicht so eindeutig, dass hiermit der Tatbestand der Volksverhetzung des § 130 StGB verwirklicht wird. Bei dieser Bewertung des Gerichts ist zunächst auf die auf dem Wahlplakat verwendeten Worte, auch in ihrem Zusammenspiel, abzustellen.
VG Gießen, Urteil vom 09. August 2019 – 4 K 2279/19.GI –
Es gelangte zu dem Ergebnis, daß keiner der verwendete Begriffe für sich volksverhetzend sei. „Invasion“ beschreibe lediglich einen rein faktischen Vorgang:
Die Worte „Stoppt die Invasion“ können nicht mit volksverhetzender Wirkung belegt werden. Der Begriff „stoppt“ meinte die Beendigung eines – vermeintlich – unerwünschten Zustandes oder Geschehens mit sofortiger oder aber alsbaldiger Wirkung. Der Begriff Invasion stammt von dem lateinischen Verb invadere und hat nach der Übersetzung des Kleinen Stowasser, lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, die Bedeutung hineingehen, hingehen, eindringen, betreten, als auch transitiv die Bedeutung überfallen, angreifen sowie befallen (pestilencia populum invasid). In diesem Sinne kommt dem Begriff Invasion keine volksverhetzende Bedeutung zu, sondern er beschreibt hier im übertragenen Sinne lediglich den Zustand des Eindringens von außen in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, wie es insbesondere im Jahr 2015 objektiv feststellbar war. In diesem Jahr wurden die deutschen Grenzen durch die Wanderungsbewegung im Sinne eines Eindringens in das deutsche Staatsgebiet überrollt und es kam zu einem unkontrollierten Zuzug von Ausländern, aus welchen Gründen auch immer, zunächst insbesondere aus den Westbalkanstaaten, dann aber auch aus Afghanistan, Syrien, Iran, Irak in das Bundesgebiet. Die Geschehnisse im Jahr 2015 sind durchaus mit dem landläufigen Begriff der Invasion vergleichbar und beinhalten keine Wertung und damit keinen volksverhetzenden Charakter.
VG Gießen, Urteil vom 09. August 2019 – 4 K 2279/19.GI –
Getreu den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit in Angelegenheiten der öffentlichen Diskusson geht auch das VG Gießen davon aus, daß einer mehrdeutigen Äußerung nur strafbarer Inhalt beigemessen werden kann, wenn es keine zur Straflosigkeit führende Interpretation gibt. Also hinterfragte es mit der für Verwaltungsrechtler typischen Geduld, was es denn mit dem Begriff Migration auf sich hat, die „töte“:
Etwas schwieriger ist die Bedeutung und Auslegung des Wortes Migration. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 9. Auflage 2011, enthält zum Wort Migration folgende Bedeutung: Soziologisch Übersiedlung in ein anderes Land, biologisch Übersiedlung, Ausbreitung in einem anderen Gebiet, Abwanderung von Kunden, geologisch Wanderung von Erdöl oder Erdgas aus dem sie bildenden Muttergestein in ein umliegendes Speichergestein, EDV-Datenübertragung. Bereits dies zeigt, dass das Wort Migration eine durchaus vielfältige Bedeutung hat. Noch vielfältiger wird der Bedeutungsgehalt des Wortes Migration, wenn auf den lateinischen Ursprung abgestellt wird. Nach Stowasser (a. a. O.) bedeutet das Wort migrare, 1. ausziehen, auswandern, übersiedeln, 2. (transitiv) fortschaffen, transportieren (migratu dificilia), 3. (metamophorisch) übertreten, verletzen (ius civile). Georges, ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Nachdruck 1998, erläutert zum Verb migrare (intransitiv), mit seiner Habe usw. nach einem anderen Ort ziehen, um dort zu wohnen, gleich wegziehen, ausziehen, übersiedeln oder (transitiv), etwas wegbringen, fortschaffen, versetzen und übtr. im allg. de vita oder ex vita, von hinnen ziehen = sterben sowie (bildlich) übertreten, überschreiten, in Anknüpfung an Cicero, de legg, 3, 11. In letztem Zusammenhang führt das Oxford Latin Dictionary, 1976, aus, dass migrare auch folgende Bedeutung haben kann: To pass into a new condition or form und mit der Verbindung ex or de vita migrare to depart this life, die, also sterben und Tod.
VG Gießen, Urteil vom 09. August 2019 – 4 K 2279/19.GI –
Bereits aus dem lateinischen Ursprung des Wortes Migration wird demnach allzu deutlich, dass dem Begriff Migration mannigfaltige Deutungsmöglichkeiten zukommen können, die es verbieten, allein der Verwendung dieses Begriffes eine irgendwie geartete Volksverhetzung beizumessen, weil hierfür weder die Deutung der Beklagten noch die Deutung des Klägers streitet, da metamorphorisch bereits der lateinische Ursprung des Wortes mit Tod und Sterben sowie rechtlich mit Übertretung belegt ist.
Auch alle Worte im Zusammenhang ergeben keine strafbare Volksverhetzung:
Hierbei ist die Gesamtaufmachung des Wahlplakats in den Blick zu nehmen wie auch die darin verwendete Wortwahl und der Zusammenhang mit der (bevorstehenden) Europawahl im Mai 2019. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Volksverhetzung) stellt u. a. unter Strafe, wenn in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen wird, dass eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe oder Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet wird. In diesem Sinne beinhaltet das von dem Kläger zur Europawahl 2019 verwendete Plakat keinen Angriff auf die Menschenwürde i. S. d. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. zur „Schutzzonenkampagne der NPD: Hess. VGH, Beschl. v. 08.05.2019, 8 B 961/19). Mit dem Begriff der Menschenwürde ist der soziale Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen, oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 20.10.1992, 1 BvR 698/89). Angriffe auf die Menschenwürde können in Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und damit in allen Verhaltensweisen bestehen, die dem Betroffenen seinen Achtungsanspruch als Mensch absprechen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.3.2003, 1 BvR 426/02). Es ist erforderlich, dass der angegriffenen Person oder Personenmehrheit das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich mithin gegen den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit, nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte, richten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.9.2000, 1 BvR 1056/95). Maßgeblich für die Beurteilung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums objektiv hat. Dabei ist stets vom Wortlaut und der Erscheinung der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Es wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und ihren Begleitumständen bestimmt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.03.2008, 1 BvR 1753/03).
VG Gießen, Urteil vom 09. August 2019 – 4 K 2279/19.GI –
Den Rest seiner Ausführungen hätte das Gericht sich, juristisch gesehen, schenken können. An ihm entzündete sich aber der besondere Zorn der hauptberuflichen Gutmenschen vom SPIEGEL, die das Urteil für „abstrus“ halten:
Im Hintergrund des Plakates sind deutsche Städte und Orte genannt, an denen es nachweislich zu Gewalt- oder Tötungsdelikten gekommen ist, die von in Deutschland sich aufhaltenden Personen begangen wurden, die nicht Deutsche und damit Ausländer sind (vgl. zur Definition des Deutschen und des Ausländers § 1 StAG, § 2 Abs. 1 AufenthG, Art. 116 Abs. 1 GG). Dies ist allein für sich genommen nicht volksverhetzend und auch nicht die Würde Einzelner oder einer Personenmehrheit verletzend. Es handelt sich um die Mitteilung von Tatsachen, die durch kriminalistische Untersuchungen und ggf. anschließende Strafverfahren belegt sind. Die Nennung dieser Orte im Zusammenhang mit dem Slogan des Plakats „Stoppt die Invasion: Migration tötet!“ rechtfertigt eine andere Würdigung nicht. Es handelt sich allenfalls um eine reißerische Darstellung von Geschehnissen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, bei denen Menschen durch Ausländer (Migranten) ums Leben gekommen sind. Auch in Verknüpfung mit dem Werbeslogan und der weiteren Aufforderung „Widerstand – jetzt –„ vermag das Gericht eine menschenverachtende oder volksverhetzende Wirkung des inkriminierten Wahlplakats nicht zu erkennen.
VG Gießen, Urteil vom 09. August 2019 – 4 K 2279/19.GI –
Zunächst ist auf die Kernaussage des Plakats abzustellen, die lautet: Migration tötet!.
Bei der Bewertung dieser Begrifflichkeit ist nicht allein auf aktuelle Ereignisse oder Ereignisse seit 2015, dem Beginn der massenhaften Zuwanderung, abzustellen, sondern die Thematik ist insgesamt zu beleuchten. Migrationsbewegungen fanden in der Geschichte immer wieder statt, teils auch mit tödlichem Ausgang, wie noch auszuführen sein wird. Die Entstehung der Sahara löste zwischen 3000 und 1000 vor Christus eine Wanderung von Bantu aus Westafrika bis ins südliche Afrika aus. Im Zeitraum zwischen 200 und 1500 breiteten sich die Chinesen von ihren Ursprungsgebieten in alle Richtungen aus, besonders nach Südasien. Um 500 migrierten arabische Stämme in großer Zahl über weite Strecken und erreichten u. a. Ostafrika. Die oft aus Diskriminierung, Unterdrückung und Verfolgung hervorgegangene jüdische Migration zeigte sich u. a. beim Auszug der Israeliten aus Ägypten im Jahre 1250 v. Chr. Zu den frühen Wanderungsbewegungen im europäischen Raum gehören die griechische Kolonisation am Mittelmeer im 1. Jahrtausend v. Chr. und die Völkerwanderung am Übergang zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Mit dem 16. Jahrhundert begann die europäische Expansion, in deren Folge sich Kolonialismus und neuzeitlicher Sklavenhandel entwickelten. Eine massenhafte Auswanderung aus Europa ab 1700, insbesondere nach Amerika und vor allem in die Vereinigten Staaten, setzte im 19. Jahrhundert bei fortgesetzt stark anwachsender europäischer Bevölkerung und Binnenwanderung ein.
Bereits hieran zeigt sich, dass Migration nicht erst ein Problem Europas oder Deutschlands seit dem Jahr 2015 ist, sondern seit Jahrtausenden besteht. Diese Migrationsbewegungen endeten teilweise auch mit erheblichem tödlichem Ausgang. Beispielhaft sei dies am Untergang des Römischen Reiches im Zuge der Völkerwanderung belegt. Das Römische Reich war fremdenfreundlich. Doch Einwanderer ließen sich nur in überschaubarer Zahl integrieren. Das Machtgefüge verschob sich. Den Fremden blieb das Reich fremd – trotzdem übernahmen sie die Macht. Im Frühjahr 376 öffnete das Römische Reich die Grenze und gewährte den vor den Hunnen geflohenen Goten die Aufnahme im Reich. Der römische Statthalter suchte die Ankömmlinge zu zählen, aber die Aktion geriet außer Kontrolle. Sehr bald gab es Versorgungsprobleme. Die Goten begannen zu plündern, es kam zu Scharmützeln. Es gab Kämpfe, die Grenztruppen wurden geschlagen, der Kaiser um Hilfe gerufen. Am 09.08.378 kam es bei Adrianopel, dem heute türkischen Edirne, zur Schlacht und das römische Reichsheer des Ostens wurde von den Germanen zusammengehauen, der Kaiser fiel. Immer neue Scharen drangen ins Römische Reich. Im Jahr 406 war auch die Rheingrenze nicht mehr zu halten. Die Völkerwanderung war im Gang. Die Landnahme endete erst mit dem Einbruch der Langobarden in Italien 565. Bereits um 100 v. Chr. begann diese Wanderungsbewegung mit den Kimbern und Teutonen, die nur mit Mühe abzuwehren waren. Im 3. Jahrhundert durchbrachen die Großstämme der Alamannen, Franken und Sachsen den Limes und suchten Gallien und Italien heim, während im Osten die Goten hausten und 251 Kaiser Decius besiegten. Im Zuge der Völkerwanderung verlor die römische Regierung die Kontrolle über die Provinzen, das staatliche Waffenmonopol war nicht mehr aufrecht zu erhalten. Eine Unzahl an Verordnungen erging, aber sie wurden nicht mehr ausgeführt, die Executive versagte. Sobald die kritische Menge überschritten war und sich eigenständige handlungsfähige Gruppen organisierten, verschob sich das Machtgefüge und die alte Ordnung löste sich auf; das Römische Reich ging mitsamt seiner Kultur unter (Alexander Demandt, das Ende der alten Ordnung, 20.01.2016). Mischa Meier (bpb, die „Völkerwanderung 24.06.2016) führt hierzu aus: Die im nachhinein so fatale Entscheidung, die von den Hunnen vertriebenen Goten im Jahr 376 über die Donau in das Imperium eindringen zu lassen, folgte einem derartigen Kalkül. Während der Völkerwanderung wurden die Römer also keineswegs mit einem grundlegenden neuartigen Phänomen konfrontiert. Ungewöhnlich war lediglich die Massivität, mit der in einigen Grenzregionen nunmehr der Druck zunahm (zunächst an Donau und Rhein, später dann auch in anderen Regionen); ungewöhnlich war sodann die Intensität, mit der sich insbesondere seit dem frühen 5. Jahrhundert innere Probleme mit dem Geschehen an der Peripherie des Reiches vermengten. Zu unterscheiden sind dabei verschiedene Gruppen. Militärisch schlagkräftige Flüchtlinge wie die Goten, die 376 die Donau überschritten, mobile Armeen mit wachsender ziviler Begleitung und zunehmender Kohärenz wie der Verband, mit dem der terwingische Gote Alarich 410 die Stadt Rom eroberte und Großverbände auf der Suche nach Integration in das Römische Reich (Ansiedlung von Westgoten in Aquitanien 418/419). Davon wiederum zu unterscheiden sind Großverbände auf der Suche nach politischer und wirtschaftlicher Autonomie, die etwa den Vandalen 442 in Form eines Regnum zugestanden wurde. Im Ergebnis führte jedenfalls die Völkerwanderung zu einem vollständigen Zusammenbruch des weströmischen Reichs im 5. Jahrhundert. Im Zuge der Völkerwanderung kamen zahlreiche Einwanderer ums Leben wie auch römische Soldaten und Zivilisten, das römische Recht und die imperiale Kultur.
Eine weitere starke Wanderungsbewegung setzte ab dem 18. bis ins 19. Jahrhundert aus Europa nach Nordamerika ein. Siedler aus nahezu allen europäischen Staaten drangen insbesondere Mitte des 19. Jahrhunderts nach Nordamerika, die USA und Kanada, vor. Sowohl in den USA als auch in Kanada herrschten indianische Strukturen mit Kleinsiedlungsgebieten vor. Die invasive Einreise europäischer Aussiedler führte jedoch dazu, dass mittlerweile keinerlei indianischen Gebiete oder autonome Strukturen und Kulturen in Kanada oder den USA mehr vorhanden sind. Von den europäischen Eindringlingen wurden die Indianer getötet, ebenso wie sich auch die Indianer sich mit tödlicher Wirkung gegen die Eindringlinge zur Wehr setzten. Neben den Indianern töteten die europäischen Siedler letztendlich auch nahezu die gesamten Bisonbestände der USA und eliminierten die indianische Kultur, Lebensweise und Lebensgrundlage, die teilweise auch nomadisch geprägt war.
In Südamerika gingen zuvor gleichsam durch spanische und portugiesische Besiedelung durch die Konquistadoren das Azteken- und das Inkareich zugrunde, beides hochentwickelte dort beheimatete Kulturen.
Aus den vorzitierten beispielhaften historischen Wanderungsbewegungen wird deutlich, dass Migration tatsächlich in der Lage ist, Tod und Verderben mit sich zu bringen. Eine volksverhetzende Äußerung ist hiermit nicht verbunden, sondern die Darstellung einer Realität, die sich jedem erschließt, der sich mit der Geschichte der Wanderungsbewegungen befasst.
Herfried Münkler (Neue Zürcher Zeitung, 05.09.2015) kommt zu dem Ergebnis, dass, je komplexer und normativ anspruchsvoller eine Kultur ist, desto verwundbarer ist sie durch migrantische Veränderungen. Funktionsmechanismen der Gesellschaft seien eher unflexibel und könnten auf einen größeren Ansturm von Migranten nur schwer umgestellt werden. Insbesondere dürften Leistungen der aufnehmenden Gesellschaft für die Zuwanderer nicht so beschaffen sein, dass man sich auf Dauer darin einrichten kann, dass sie, wenn auch auf niedrigem Niveau „satt machen“ und so dazu führen, dass die positiven Effekte der Neuankömmlinge dadurch verspielt werden, dass diese unverzüglich in Angehörige des unteren Gesellschaftssegments der aufnehmenden Gesellschaft verwandelt werden. Umgekehrt dürften die Fremden der Aufnahmegesellschaft nicht dauerhaft in großer Distanz gegenüberstehen, sondern müssten deren Rahmenordnung als die ihre annehmen. Bei der Problembewältigung könne ein Blick in die Geschichte helfen.
Darüber hinaus ist die Frage zu stellen, ob der Slogan „Migration tötet“ sich unmittelbar nur auf den Tod von Menschen beziehen muss. Dies vermag das Gericht nicht zu erkennen. Wie vorstehend am Beispiel des Römischen Reiches wie auch Kanadas und der USA sowie Südamerikas belegt, hat die dortige Einwanderung nicht nur zum Tod von Menschen geführt, sondern auch zum Zusammenbruch und damit auch zwangsläufig zum Tod der jeweils dort vorhandenen Kultur. Auch ein kultureller Tod kann ein Tod im Sinne des Werbeslogans sein. Einwanderung stellt naturgemäß eine Gefahr für kulturelle Werte an dem Ort dar, an dem die Einwanderung stattfindet. Auch hier kann dem Wahlslogan „Migration tötet“ eine volksverhetzende oder menschenverachtende Wirkung nicht beigemessen werden, denn eine bestehende Gefahr für die deutsche Kultur und Rechtsordnung sowie menschliches Leben ist nicht von der Hand zu weisen.
Zunächst ist hier auf die Broschüre „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung, Bundeslagebild 2018“, des Bundeskriminalamts hinzuweisen. Unter Nr. 3.1.3, Straftaten gegen das Leben, führt das Bundeskriminalamt in Bezug auf die von 2014-2018 geklärten Fälle aus, dass der Anteil von Straftaten mit mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer 2014 4,4 %, 2015 8,6 %, 2016 13 %, 2017 15 % und 2018 14,3 % betrug, darunter im Jahr 2017 335 Fälle des Totschlags und 82 Morde und für das Jahr 2018 300 Fälle des Totschlags und 105 Morde. Der Anteil der tatverdächtigen Zuwanderer an der Gesamtzahl aller registrierten Tatverdächtigen im Bereich der Straftaten gegen das Leben ist weiterhin leicht gestiegen (2018: 15 %, 2017: 14 %). Zuwanderer, die einer Straftat gegen das Leben verdächtigt wurden, waren fast ausnahmslos männlich (97 %) und in nahezu 3/4 der Fälle bei Tatbegehung jünger als 30 Jahre (72 %, 2017 67 %). Auch im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie bei Roheitsdelikten und Straftat gegen die persönliche Freiheit ermittelte das Bundeskriminalamt einen Anteil der Zuwanderer für das Jahr 2018 von 11,8 % bzw. 10,7 % an den insgesamt aufgeklärten Straftaten und bei den Rauschgiftdelikten ist eine deutliche Zunahme von Taten mit mindestens einem tatverdächtigen Zuwanderer zu verzeichnen, nämlich von 10,3 % im Jahr 2018. Noch deutlicher ist das Ergebnis des Bundeslagebildes unter Nr. 3.2, organisierte Kriminalität. Bei 88 Verfahren wurden Zuwanderer als Tatverdächtige ermittelt, was einem Anteil von 16 % aller derartigen Verfahren entspricht. Deliktische Hauptaktivitätsfelder der OK-Gruppierungen mit tatverdächtigen Zuwanderern waren Rauschgifthandel/-schmuggel, Eigentumskriminalität sowie Schleuserkriminalität. Gerade der letztgenannte Bereich der Schleuserkriminalität zeigt aber auch eine andere Todesgefahr der Migration, nämlich diejenige auf dem Land- oder Seeweg nach Europa/Deutschland. Auch insoweit kann Migration tödlich sein, wie sich an den vielen ertrunkenen Flüchtlingen bei der Überfahrt auf dem Mittelmeer zeigt. Nach einem Artikel von tagesspiegel.de vom 30.07.2019 sind Nichtdeutsche bei Straftaten überdurchschnittlich vertreten, nämlich mit 74 % bei einem Bevölkerungsanteil von 11,5 %,
Diese Feststellungen bedürfen keiner weiteren Ausführungen, insbesondere nicht für den Bereich der dokumentierten Schwerkriminalität, denn die Broschüre des Bundeskriminalamts belegt, dass Migration auch zu Tötungsdelikten führt. Daher verwundert es auch nicht, dass in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Anteil ausländischer oder staatenloser Strafgefangener im Jahr 2019 zwischen 27 % und 61 % deutlich über dem Bevölkerungsanteil liegt, für 2016 zwischen 24 % und 55 % (tagesschau.de, 03.06.2019)
Abstrakt gesehen kann eine übermäßige Migration in Form der Immigration nach Deutschland auch zum Tod der deutschen Kultur führen. In der Präambel des Grundgesetzes heißt es: Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatlich Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen hat das deutsche Volk…kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Immanenter Teil des Grundgesetzes ist die freiheitliche demokratische Grundordnung in Form eines demokratischen und sozialen Bundesstaates nach Art. 20 GG. Inbegriff dieser freiheitlichen und demokratischen Grundordnung sind insbesondere die Grundrechte in Art. 1 bis 19 GG. Auch diese freiheitliche und demokratische Grundordnung kann durch Migrationsbewegungen größeren Ausmaßes nicht nur beeinträchtigt, sondern sogar beseitigt und damit getötet werden.
Exemplarisch sei hier an die Silvesternacht 2015 erinnert. Die diesbezüglichen Ereignisse in Köln führten zu 1210 Strafanzeigen, 828 Verfahren gegen Unbekannt, 290 Verfahren gegen namentlich Bekannte, 46 Angeklagte und ergaben 36 Verurteilungen. Etwa jeder Dritte der namentlich bekannten Beschuldigten war nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Asylbewerber und 52 Beschuldigte seien illegal in Deutschland gewesen. Bei vielen Verdächtigten sei der Aufenthaltsstatus gar nicht bekannt gewesen. Die größte Gruppe der namentlich bekannten Verdächtigen waren demnach Algerier (101) und Marokkaner (91). Mit einigem Abstand folgten Iraker (37) und Syrer (29) und auch 25 deutsche Verdächtigte wurden ermittelt. Dass so wenige Tatvorwürfe aufgeklärt werden konnten, führt die Staatsanwaltschaft auf die Umstände der Tatnacht zurück. Eine große Masse an Personen, die Wiedererkennung von konkreten Personen war nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit möglich, die Tatbeiträge konnten einzelnen Personen nicht zugeordnet werden, ferner hatte das vorhandene Bildmaterial nicht die ausreichende Qualität. Es ist lediglich zu 36 Verurteilungen gekommen (vgl. Rita Lauer, Zeit Online, 31.12.2017). Gleichartige Fälle sind nach Wikipedia, wenn auch nicht in der für Köln feststellbaren Größenordnung, dokumentiert für Hamburg, Bielefeld, Stuttgart, Frankfurt am Main, Nürnberg und Umgebung, Salzburg, Zürich, Helsinki und das schwedische Kalmar. Eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung und das deutsche Rechtssystem ergibt sich auch aus kulturellen und religiösen Unterschieden. Hier sei zum Beispiel die „Scharia-Polizei“ genannt. Nach einem Artikel von Naimi Goldap, wo in Deutschland die „Scharia-Polizei“ marschiert (welt.de vom 05.09.2014), patrouilliert eine Gruppe Salafisten als selbsternannte „Scharia-Polizei“ durch Wuppertal und wirbt für ihre Ideologie. In Großbritannien spielen muslimische Jugendliche schon seit längerer Zeit Sittenpolizei. Nun tauchen auch in Deutschland Muslime als Wächter der Scharia, des religiösen Gesetzes des Islam, auf. Salafisten stehen vor Discotheken oder Spielhallen und versuchen, als Scharia-Polizei Menschen von einem Besuch abzuhalten. Mit orangen Westen, auf denen „Scharia-Police“ steht, wollen sie für eine strenge Auslegung des Islam werben. Auf Flyern sind die Regeln festgehalten:
„Scharia controlled zone“ steht darauf und: No alcohol, no gambling, no music or concerts, no drugs or smoking, no porn or prostitution. In Nordrhein-Westfalen wurde eine breite Öffentlichkeit vor allem seit dem Mai 2012 auch auf den Salafismus aufmerksam. Damals wurden zwei Polizisten bei einer Demonstration in Solingen durch Messerstiche verletzt. Ende 2012 wurde ein Bombenattentat auf dem Bonner Hauptbahnhof in letzter Minute verhindert. 2013 wurde ein Mordversuch gegen einen Aktivisten der Partei Pro NRW aufgedeckt. Als Tatverdächtige galten jeweils Anhänger dieser radikal-fundamentalistischen Auslegung des Islam. Am 3. September 2014 entdeckten Streifenpolizisten elf Männer, die mit den Sharia-Westen in der Stadt unterwegs waren, um Sympathisanten zu werben. Nach einem Artikel vom 02.07.2015 (focus.de) warnen Polizeibeamte vor „No-go-Areas“ in deutschen Städten, in denen rivalisierende libanesische, türkische und bulgarische Clans mit rivalisierenden Rockergruppen um die Vorherrschaft kämpfen und die deutsche Polizei nicht mehr als Autorität anerkennen. Solche Stadtteile gebe es in Duisburg, Essen, Köln und Dortmund und nach einem Artikel vom 11.04.2016 (news.de) droht in deutschen Städten die Ghettobildung, vor allem in Berlin-Neuköln (41 % Menschen mit Migrationshintergrund), Hamburg-Eidelstedt (32,1 % Menschen mit Migrationshintergrund), Köln-Chorweiler (46 % Menschen mit Migrationshintergrund), Essen-Altenessen (23 % Menschen mit Migrationshintergrund), Mannheim/Neckarstadt-West (mehr als 66 % Menschen mit Migrationshintergrund), Bremerhaven-Lehe (30 % Menschen mit Migrationshintergrund), Bremen-Huchting (39,2 % Menschen mit Migrationshintergrund), Pforzheim-Oststadt (70 % Menschen mit Migrationshintergrund), Duisburg-Marxloh (66 % Menschen mit Migrationshintergrund) und Dortmund-West (über 66 % Menschen mit Migrationshintergrund). Erwähnenswert sind hier auch die Ereignisse im Düsseldorfer Rheinbad im Juli 2019, wo jugendliche Migranten versuchten, die Kontrolle zu übernehmen (vgl. allein: faz.net, 26. und 27.07.2019; focus-online, 26.07.2019; zdf.de, 26., 27. und 29.07.2019).
Bereits diese Phänomene zeigen die Überlagerung deutscher und europäischer Wertvorstellungen, die zu einem Tod der westeuropäischen und deutschen Kultur zu führen geeignet sind.
In die gleiche Richtung zu werten ist die Tatsache, dass es in der Bundesrepublik Deutschland auch zu Morden aufgrund von Blutrache und wegen verletzter Ehre kommt. Bereits zwischen 1996 und 2005 wurden 78 Fälle von Ehrenmorden mit 109 Opfern und 122 Tätern erfasst. Erst im Jahr 2009 wurde der Begriff „Ehrenmord“ im Duden aufgenommen, was belegt, dass es sich um ein neuartiges Phänomen handelt. Nach den Geburtsländern der Tätern dominiert die Türkei mit 63,3 %, danach folgen arabische Länder mit 14,2 %, Länder des ehemaligen Jugoslawien und Albanien zusammen mit 7,5 %, Deutschland mit 9,2 % und Pakistan und Afghanistan zusammen mit 5,8 %. Einem derartigen Ehrenmord liegt das Motiv zugrunde, dass der Frau das Recht auf freie Lebensgestaltung abgesprochen wird. Ein überraschendes Ergebnis ist aber die hohe Anzahl getöteter Männer. Rund 43 % aller getöteten Personen waren Männer. Auch die Tötung eines Mannes ist nach Ansicht der Mörder in bestimmten Fällen geeignet, die Ehre wiederherzustellen. Gleich ob das Opfer Frau oder Mann ist, aus Gründen der „Ehre“ werden meist junge Menschen ermordet. Die meisten Getöteten waren zwischen 18 und 29 Jahre alt, 7 % der Opfer waren noch minderjährig. Anders liegt das bei den Tätern. Hier wird von einem Großteil von Männern in der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre ausgegangen. Frauen als alleinige Täterinnen sind praktisch ausgeschlossen, sie spielen aber als Mittäterinnen eine Rolle. Zum Täterkreis lässt sich sagen, dass er größtenteils im Ausland geboren ist und als schlecht integriert gilt. Nur knapp 10 % der ermittelten Täter wurden in Deutschland geboren (IGFM, Ehrenmorde in Deutschland). Ehrenmorde sind Tötungsdelikte, die als Tatmotiv die Wiederherstellung der Familienehre haben, die infolge des als unehrenhaft beurteilten Verhaltens des Opfers verletzt wurde. Derartige Ehrenmorde sind in Deutschland tatsächlich ein nahezu ausschließlich migrantisches Problem. Im Auftrag des Bundesinnenministeriums haben die Forscher des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht für den Zeitraum 1996-2005 auf Basis von Prozessakten und Medienberichten 78 Taten zusammengetragen. Täter ohne Migrationshintergrund fanden die Forscher nur in einem einzigen Fall, eine yezidische Familie hatte einen Deutschen als Auftragskiller engagiert (Fabian Goldmann, 01.11.2018, 5 Fakten über Ehrenmorde). Ausweislich der Internet-Seite Ehrenmord.de finden sich für das Jahr 2018 39 Ehrenmorde und 46 Mordversuche, für das Jahr 2017 56 Ehrenmorde und 47 Mordversuche, für das Jahr 2016 41 Ehrenmorde und 38 Mordversuche und für das Jahr 2015 25 Ehrenmorde und 14 Mordversuche. Die Gefahr für die freiheitliche und demokratische Grundordnung liegt hier ebenso auf der Hand wie eine reale Gefahr für die gesellschaftlichen Strukturen sowie Leib und Leben der Betroffenen.
Von Bedeutung für den Weiterbestand der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung ist hier auch noch auf Blutrache abzustellen. Auch dies ist ein Phänomen, das dem deutschen Kulturkreis fremd ist. Schon im Jahr 2010 hatte der damalige BKA-Präsident Jörg Ziercke erklärt, derartige Verbrechen der Blutrache seien fester Bestandteil des Kriminalitätsgeschehens und damit der Gesellschaft in Deutschland (faz.net.: Lebenslange Haft nach „Blutrache-Mord“ in Deutschland).
Als Gefahr für den Bestand des deutschen Staates und seiner Grundordnung kann auch das Auftreten des Salafismus gesehen werden. Extremfundamentalistische Islamisten lehnen nämlich ganz grundsätzlich die Demokratie ab und damit im Kern auch die freiheitliche demokratische Grundordnung. Muslime, die nicht-salafistische Gesellschaften anerkennen werden als Ungläubige erklärt und nicht länger als dem Islam zugehörig betrachtet. Ziel der Salafisten ist die Errichtung eines islamischen Gottesstaates, in dem wesentliche demokratische Grundrechte keine Geltung haben (vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, Salafismus: Extremistische Bestrebungen in Hessen sowie Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, Verfassungsschutzbericht 2018, Seiten 169 bis 278 und Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2018, Seiten192 bis 267 zu Islamistischem Terror und anderen extremistischen Bestrebungen von Ausländern). Der Islam kennt keine religiöse Toleranz, dies ist nur ein Wunschbild des Westens (Otto Jastrow, 09.02.2018, deutschlandfunk.de). Wegen der Auswirkungen dieser Terrorgefahr auf Deutschland und Europa seit 1993 wird nur auf die Zusammenstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz in seiner Übersicht, Stand 24.06.2019 verwiesen sowie auf die Darstellung „Islamistischer Terror in Deutschland: Chronologie des Schreckens (merkur.de vom 31.07.2017). Seit 2015 sind in der EU 40 islamistische Anschläge mit 350 Toten verübt worden (tagesschau.de, 12.12.2018).
Hier eine reale Gefahr zu negieren hieße, die Augen vor der Realität zu verschließen. Sollten der deutsche Staat oder seine Behörden einmal in die Handlungsunfähigkeit abrutschen, griffe das Recht zum Widerstand aus Art. 20 Abs. 4 GG ohnehin.
Nach vorstehenden Ausführungen ist der Wortlaut des inkriminierten Wahlplakats des Klägers „Migration tötet“ nicht als volksverhetzend zu qualifizieren, sondern als die Realität teilweise darstellend zu bewerten. In der Tat hat die Zuwanderungsbewegung nach Deutschland ab dem Jahr 2014/2015 zu einer Veränderung innerhalb der Gesellschaft geführt, die sowohl zum Tode von Menschen geführt hat als auch geeignet ist, auf lange Sicht zum Tod der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu führen. Sollte die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr in der Lage sein, das Gewaltmonopol innerhalb ihrer Grenzen effektiv und wirksam auszuüben, ist hiermit ein schleichender Untergang verbunden, wie es einst im römischen Weltreich auch der Fall war. Der deutsche Staat wird gehalten sein, sein Gewaltmonopol zu festigen und jedem, der in der Bundesrepublik Deutschland seinen Aufenthalt nehmen will, zu verdeutlichen, dass der Betreffende sich an die hiesige Werte- und Grundordnung zu halten hat. Lässt man jedem Geschehen freien Lauf, wird dies über kurz oder lang zu chaotischen Verhältnissen führen, in denen der deutsche Staat sein Machtmonopol nicht mehr zur Geltung bringen kann. Hierauf weist das Wahlplakat der NPD, wenn auch möglicherweise mit reißerischer Aufmachung, hin. Eine volksverhetzende oder menschenverachtende Aussage ist dem Plakat bei Bewertung seines Gesamtinhalts jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, denn allein der objektive Aussagegehalt „Migration tötet“ ist eine empirisch zu beweisende Tatsache.
Allein dem erkennenden Gericht sind Fälle bekannt, in denen Asylbewerber zu Mördern wurden. Zu nennen ist hier der Fall des Ali A., den das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 07.03.1994 (VII-31/94) wegen dreifachen Mordes im Auftrag der PKK zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Sein letztes Asylverfahren war vor dem erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen 10 E 250/07 (Urteil vom 08.10.2007) anhängig. Ein weiteres Beispiel ist Aram P., der 1981 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste und mit Urteil des Landgerichts Gießen vom 08.12.1988, 5 Js 36018/88 wegen versuchten Todschlags in sieben Fällen zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurde. Bereits zuvor war dieser Asylbewerber wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes durch Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 28.02.1984 (27 Js 31086/83 KLS zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung wurde gegen diesen Asylbewerber im Juli 1994 wegen versuchten Bankraubs ein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Asylverfahren dieses Asylbewerbers war bei dem Verwaltungsgericht Gießen unter den Aktenzeichen 6 G 11461/91 und 6 E 11485/91 anhängig. Zu verweisen ist insoweit weiter auf den Mansor Q., der (unter Beteiligung des Ali B) wegen Vergewaltigung einer 12-Jährigen angeklagt ist und dessen Asylverfahren unter dem Aktenzeichen 4 K 2068/17 geführt wurde, welches mit Urteil vom 28.01.2019 abgeschlossen wurde. Beispielhaft zu nennen sei auch noch das Verfahren gegen diesen Ali B., der jüngst vom Landgericht Wiesbaden (Urt. v. 10.07.2019, 2 Ks 2234 Js 24049/18) wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (interessanterweise hielt weder Ali. B. noch seine Familie der als Migrationsgrund vorgeschobene Sachverhalt davon ab, nach der Bluttat über die Türkei ins Heimatland zu fliehen, wo ihnen doch angeblich Schlimmes drohen sollte) und der Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 23.10.2018 (7 A 10886/18), der die Ausweisung eines Sexualstraftäters mit kulturkreisbedingtem frauenverachtendem Weltbild zum Gegenstand hat. Zu verweisen ist noch auf Fatih I., dem wegen terroristischer Aktivitäten für den IS, für die er strafrechtlich verurteilt wurde, Asyl versagt und die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde (VG Gießen, Beschluss vom 07.06.2018, 4 L 6810/17). Weitere Fälle im Zusammenhang mit Exilterrorismus sind derjenige des Sabahattin B. (VG Gießen, Urteil vom 05.05.2000, 10 E 32340/97) und der Fatma G. (VG Gießen, Urteil vom 22.03.2005, 10 E 3006/04). Ein weiteres Verfahren der Kammer betrifft Ibrahim S., 4 K 1544/17, der vom AG Marburg wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt wurde sowie Hasime B., 4 K 8540/17, die vom LG Heilbronn wegen versuchten Totschlags ebenfalls 2 Jahre und 10 Monate kassierte. Der Asylbewerber Mustafa Ö, 4 K 9210/17, wurde wegen sexueller Nötigung zu 2 Jahren Haft verurteilt und der Bashir S. wegen sexueller Nötigung eines 16-jährigen Mädchens zu einem Jahr auf Bewährung. Schließlich ist hier noch Mehmet K. zu nennen, 4 K 7126/17, der wegen Handelns mit Betäubungmitteln eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren erhielt. Zu guter Letzt ist noch der Fall des Eritreers zu nennen, der am 29.07.2019 in Frankfurt einen achtjährigen und dessen Mutter vor einen einfahrenden Zug gestoßen hat, wobei das Kind getötet wurde (hessenschau.de vom 29.07.2019)
Diese nur exemplarisch herangezogenen Fälle belegen, dass Migration durchaus etwas mit Tod und ihrerseits mit Menschenverachtung zu tun haben kann und Zuwanderer durchaus in der Lage sind, Tötungsdelikte und Kapitalverbrechen in Deutschland zu begehen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Taten sich gegen deutsche Staatsangehörige oder Mitmigranten richten, denn es kommt allein auf die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns an, die von Merkmalen der Opfer zu trennen ist.
In diesem Zusammenhang sei noch auf die mündliche Äußerung eines renommierten Politikwissenschaftlers gegenüber dem erkennenden Gericht zu verweisen, der sagte: „Deutsche dürfen das ja nicht sagen, ich als Ausländer aber schon. Mit meiner Religion (Islam) holt ihr das Mittelalter wieder nach Deutschland und Europa. Deutschland muss sich über eine unbegrenzte und ausufernde Flut von Zuwanderern nicht wundern. In meiner Heimat und auch angrenzenden Staaten wurde nach der Grenzöffnung im Jahr 2015 in Presse, Rundfunk und Fernsehen zur Emigration damit geworben, dass es in Deutschland für jeden ein Haus, Arbeit und ein Auto gebe und es daher dazu kommen musste, dass sich viele, die es sich finanziell leisten können, auf den Weg in das gelobte Land mach(t)en.“
Nach vorstehenden Ausführungen kann der Interpretation der Beklagten dahingehend, das Wahlplakat stelle jeden einzelnen Migranten oder alle Migranten gleichsam unter einen Generalverdacht und müsse vom unvoreingenommenen Betrachter als Aufforderung verstanden werden, Selbst – oder Lynchjustiz an Zuwanderern zu begehen, nicht gefolgt werden. Diese Auslegung übersteigt die Grenze der Auslegungsfähigkeit. Weder der Inhalt des Wahlplakats noch dessen Gestaltung lassen die Auslegung der Beklagten zu. Zum einen spricht das Plakat von Migration, also dem Gesamtgeschehen, und nicht von individualisierbaren Migranten. Zum anderen kann der Ausdruck „Widerstand – jetzt –„ nicht als Aufforderung verstanden werden, jeder Angesprochene möge gewaltsam gegen Migranten vorgehen. Das Plakat, seine Aufmachung und seine Wortwahl stehen im Zusammenhang mit der Europawahl. Bei der gebotenen objektiven Auslegung kann der Aussagegehalte des Plakats nur dahingehend verstanden werden, dass der Kläger auf aus seiner Sicht bestehende Missstände hinweist sowie darauf, gegen diese Missstände parlamentarischen Widerstand leisten zu wollen, so das Wahlergebnis nach seinen Wünschen ausfallen sollte. Eine konkrete Aufforderung, im rechtsfreien Raum gewalttätig gegen Migranten vorzugehen, kann dem Plakat auch im Wege der Auslegung nicht entnommen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet die Auslegung ihre Grenze im objektiven Wortlaut und Erscheinungsbild der Wahlwerbung.
Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass es sich bei der NPD um eine Partei mit verfassungswidrigen Zielen handelt (vgl. BVerfG vom 17.01.17, a. a. O., Verfassungsschutzberichte des Bundes 2018, Seite 76 bis 78 und des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2018, Seiten 72 bis 79), aber auch das kann nicht dazu führen, der inkriminierten Wahlwerbung einen (gedachten) Inhalt zu geben, der ihr bei objektiver und verständiger Betrachtung nicht zukommt. Wahlwerbung hat nämlich primär das Ziel, über die Partei und ihr Wahlprogramm zu informieren und nicht das Ziel, appellierend auf (potentielle) Wähler oder sonstige Betrachter einzuwirken. Es obliegt allein dem mündigen Wähler einzuschätzen, ob er sein Wahlverhalten nach der Werbung richtet. Dies darf ihm durch die Exekutive nicht abgeschnitten werden.
Dass die Interpretation und Auslegung der Wahlwerbung durch die Beklagte zu weit geht, zeigt sich an einem Vergleich. Unterstellt, eine dem Umweltschutz verschriebene Partei hätte zu Wahlkampfzwecken Plakate aufgestellt, die im Hintergrund deutsche Städte benennen, in denen die deutsche Umwelthilfe gerichtlich Fahrverbote erstritten hat und die plakativ äußern: „Stoppt die Emissionen, Klimawandel tötet, handelt jetzt!“. Auch hier würde niemand auf die Idee kommen, eine derartige Partei würde dazu auffordern, gewaltsam gegen Autofahrer oder Betreiber von Öl- /Gasheizungsanlagen vorgehen. Nichts anderes kann für die Wahlwerbung des Klägers gelten.
Gerade in Zeiten politischer Wahlwerbung kann es daher dem Kläger nicht verwehrt sein, mit den inkriminierten Plakaten auf möglicherweise in Deutschland herrschende Missstände hinzuweisen und für ihre Ziele zu werben. Mit dem Aufstellen der Plakate nimmt der Kläger als Landesverband der Bundespartei seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechte als politische Partei wahr, um Wahlkampf in seinem Sinne zu machen. Dies kann ihm so lange nicht verwehrt werden, als er nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten ist und seine Wahlwerbung keinen eindeutig strafbaren Inhalt hat, was nach vorstehenden Ausführungen bei objektiver Auslegung der Plakate gerade nicht der Fall ist. Soweit andere etablierte politische Parteien mit den Zielen und dem Wirken des Klägers nicht einverstanden sein sollten, bleibt es ihnen überlassen, durch Taten oder Überzeugungsarbeit an der Willensbildung der Wähler zu arbeiten. Dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland ist es immanent, sich mit konträrer Ansicht auseinanderzusetzen und argumentativ die eigene Meinung kund zu tun. Es obliegt den großen Volksparteien, durch effektives Wirken und überzeugende Regierungsarbeit die Wähler davon zu überzeugen, dass ihr Programm der richtige Weg ist. Daher sind Behörden nicht ermächtigt, anders denkenden oder andere Ziele verfolgenden Parteien dergestalt Hindernisse in den Weg zu legen, dass deren Wahlplakate zu entfernen sind. Ein entsprechendes Verwaltungshandeln, wie dasjenige der Beklagten in der Beseitigungsverfügung vom 22.05.2019, steht nicht in Übereinklang mit der deutschen Rechtsordnung, insbesondere nicht in Wahlkampfzeiten, in denen jeder Partei, die nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist, ermöglicht werden muss, auf sich und ihre Ziele sowie ihr Programm aufmerksam zu machen. Diesen Wege darf die Exekutive nicht dadurch versperren, dass sie der Partei mittels Verwaltungsakts aufgibt, Wahlplakate zu entfernen oder der Partei androht, anderenfalls die Plakate im Wege der Ersatzvornahme selbst zu entfernen. Hier schießt die Exekutive über das gebotene und rechtlich mögliche Ziel hinaus. Durch die angefochtene Beseitigungsverfügung tritt die Beklagte selbst diktatorisch auf und versucht, von ihr nicht gewünschte Ausdrucksformen zu unterbinden, ohne dass dies einen strafrechtlichen Bezug hat. Politik und gesellschaftliche Entwicklung leben aber von Diskussionen und Auseinandersetzungen in einer Art Hegelscher Dialektik durch These, Antithese, Synthese, wobei die Synthese wieder die neue These ist (vgl. Reiner Winter, Was ist Dialektik, Versuch einer Annäherung, www.reiner-winter. de). Hierdurch lebt das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Das schlichte Unterbinden von Äußerungen, die nicht in das gewünschte Bild vor Ort passen, ist damit aber selbst als nicht botmäßige Unterdrückungsmaßnahme zu qualifizieren. Das administrative Unterdrücken abweichender Auffassungen, zumindest soweit eine Strafrechtsrelevanz nicht gesichert feststellbar ist, liefe aber letztendlich selbst auf eine Diktatur ober Alleinherrschaft im Bereich politischer Werbung hinaus, was aber dem Wesen der bundesrepublikanischen Rechtsordnung widerspricht. Politik und Gesellschaft leben von Gegensätzen und Widersprüchen und der Möglichkeit, dass sich jeder Wahlberechtigte ein eigenes Bild machen und sich dann für eine Partei im Zeitpunkt der Wahl entscheiden kann, auch für eine kleine Partei, die nicht auf dem Boden der verfassungsmäßigen Ordnung steht. Der Entscheidungsvorrang bzw. die Alleinkompetenz des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 21 Abs. 4 GG darf nicht durch die Exekutive dergestalt unterlaufen werden, dass indifferente Wahlkampfwerbung mit der Partei gleichgestellt wird und empirisch nachweisbare Tatsachen durch die Verwaltung eine Interpretation dahingehend erhalten, dass die Ziele der Partei aus sich selbst heraus als strafrechtsrelevant und volksverhetzend qualifiziert werden. Die Beklagte macht sich hier zum Sachwalter eines jeden mündigen und verständigen Wählers; eine Stellung, die der Exekutive jedenfalls so nicht zukommt. Wahlen sind nach bundesrepublikanischem Verständnis frei und das verbietet eine Beeinflussung der Wahl und der Wähler durch das Entfernen von Wahlwerbung, jedenfalls dann, wenn mit der Werbung kein offensichtlich strafbares Handel verbunden ist oder verfolgt wird.
Gegenüber diesem vom Hölzchen aufs Stöckchen kommenden Streifzug durch die Geschichte liest sich – auch juristisch, sehr dürftig, was das VG Dresden am 20.5.2019 zu demselben Plakat geschrieben hatte:
Nach Überzeugung der Kammer erfüllt dieses Wahlplakat den Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Danach wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.
VG Dresden, Beschluss vom 20. Mai 2019 – 6 L 385/19 –
Mit dem streitgegenständlichen Wahlplakat greift die Antragstellerin die Menschenwürde sämtlicher in Deutschland lebender Migranten an. Dieser Teil der Bevölkerung wird von ihr böswillig in einer Weise verächtlich gemacht, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Ein böswilliges Verächtlichmachen liegt vor, wenn aus bewusst feindlicher Gesinnung die Betroffenen durch Werturteil oder Tatsachenbehauptung als der Achtung der Bürger unwert oder unwürdig hingestellt werden (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, § 130 Rn. 11, § 90 a Rn. 5 m.w.N.). Das ist hier der Fall.
Das Wahlplakat vermittelt dem unbefangenen Betrachter bereits allein durch seinen Wortlaut „Migration tötet!“ den Eindruck, dass sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer potentielle Straftäter von Tötungsdelikten sind. Dieser Eindruck wird durch die grafische Unterlegung des Textes mit Orten, an welchen es zu Tötungsdelikten, mutmaßlich durch Täter mit Migrationshintergrund, gekommen ist, noch verstärkt. Anders als die Antragstellerin meint, werden dadurch im Ergebnis sämtliche durch Migration in die Bundesrepublik Deutschland gelangten Ausländer als unwürdig hingestellt. Denn es erfolgt keinerlei Differenzierung zwischen den Zeiträumen der erfolgten Einwanderung. Somit betrifft das Wahlplakat auch die seit Jahrzehnten oder mehreren Generationen hier friedlich lebenden Mitbürger, die pauschal als potentielle schwerkriminelle Gewalttäter diffamiert werden. Die von der Antragstellerin angebotene Auslegung, dass Migration die Bevölkerungsgruppe der Migranten töte, erscheint der Kammer in Anbetracht des geschilderten bildlichen Hintergrunds – Aufzählung der Migranten zugeschriebenen Gewaltstraftaten – abwegig. Die verächtlich machende Herabsetzung von Migranten erfolgt aus ausländerfeindlichen Motiven und damit aus bewusst feindlicher Gesinnung und verletzt zweifelsfrei die Menschenwürde sämtlicher in Deutschland lebender Ausländer. Es kann auch nicht der Antragstellerin nicht zugestimmt werden, dass dem Begriff der Migration kein abgrenzbarer Bevölkerungsteil zuzuordnen ist.
Für einen Angriff auf die Menschenwürde reicht es aus, dass das Recht der Angegriffenen bestritten wird, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, § 130 Rn. 12 a, m.w.N.). Indem sämtliche Ausländer als potentielle Schwerststraftäter dargestellt werden, wird ihnen ihr Recht, als gleichwertige Persönlichkeiten in unserem Gemeinwesen zu leben, zweifelsfrei abgesprochen.
Das Wahlplakat ist auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung von Art, Inhalt, Form, Umfeld der Äußerung, „Stimmungslage“ der Bevölkerung und politischer Situation an. Demnach müssen berechtigte und konkrete Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern. Es genügt die Verhetzung eines aufnahmebereiten Publikums (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, § 130 Rn. 13 a, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.
Der Slogan „Migration tötet!“ schürt Ängste vor Migranten und impliziert, dass der deutsche Staat nicht willens und in der Lage ist, seine Bürger vor ausländischen Straftätern zu schützen. Durch die im kriegerischen Jargon formulierte Aufforderung „Stoppt die Invasion“ und „Widerstand – jetzt –“ werden die Bürger unverhohlen dazu aufgefordert, sich nun selbst gegen die Migration und einreisende Ausländer zu wehren. Hierdurch wird das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt, indem dieser nicht als schutzwillig bzw. schutzfähig dargestellt wird und damit der Einzelne als zum Widerstand berechtigt dargestellt wird. Solche Äußerungen sind geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtssicherheit zu erschüttern, eine latent vorhandene Gewaltbereitschaft insbesondere rechtsradikal gesinnter Personen gegenüber Migranten zu stärken, Abneigungen hervorzurufen und die Gewaltschwelle herabzusetzen und damit den öffentlichen Frieden zu gefährden (vgl. VG Mainz, Beschl. v. 26. April 2019 – 4 L 437/19.MZ – m.w.N., OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 26. April 2019 – 2 B 10639/19 -).
Das Bundesverfassungsgericht hat sich noch nicht abschließend geäußert. In einer vorläufigen Entscheidung hat es aber ausgeführt:
Erhebliche Zweifel bestehen jedenfalls hinsichtlich der Einschätzung, alleine der Wortlaut des Slogans „MIGRATION TÖTET!“ vermittele dem unbefangenen Betrachter den Eindruck, sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer oder Migranten seien als potentielle Straftäter von Tötungsdelikten anzusehen. Diese Einschätzung läßt außer Acht, daß der inkriminierte Satz im Kontext eines Wahlkampfes steht und in abstrakter Weise auf vermeintliche Folgen der Migration aufmerksam machen will und insoweit auf einzelne Straftaten – die freilich als grundsätzliches Phänomen gedeutet werden – hinweist. Dass hierin eine pauschale Verächtlichmachung aller Migranten liegt, können die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht tragfähig begründen. Nichts anderes gilt für die Deutung des Verwaltungsgerichts, nach der die Aufforderung „Widerstand – jetzt -“ als Aufforderung an die Bevölkerung zum tatsächlichen Widerstand zu verstehen sei; im Kontext einer Wahlkampagne dürfte diese Deutung kaum tragfähig sein.
Ob demgegenüber das Plakat unter anderen Gesichtspunkten als verfassungsrechtlich unzulässig gedeutet werden kann, wirft weitere Fragen auf und kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden werden.
BVerfG, Beschluß vom 24. Mai 2019 – 1 BvQ 45/19 –
Das VG Gießen hat erst einmal die Berufung gegen sein Urteil zugelassen. Jeder darf weiter auf dem juristischen Hochseil tanzen. Sagen Sie einfach frei Ihre Meinung!
Falls Sie sich trauen.
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