Der Wettkampf der Gesundheitssysteme läuft
Am 16. März schrieb sah ich einen Wettkampf der Systeme voraus: der verschiedenen Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme nämlich. Ich schrieb über die Gesundheitssysteme:
Diese sind Subsysteme der jeweiligen Wirtschaftsform und entsprechen unterschiedlichen ideologischen Haltungen und Varianten. In den USA gibt es viel weniger Ärzte pro Kopf der Bevölkerung als in Deutschland, in China übrigens noch weniger. Vor allem gibt es in den USA keine verpflichtende Krankenversicherung. Wir werden in den nächsten Monaten mit gruselnder Faszination beobachten dürfen, welche Folgen der Raubtierkapitalismus im Sinne Trumps in den USA haben und welche Opferzahlen er nicht hindern wird.
Wettkampf der Systeme 16.3.2020
Das ist bisher exakt so eingetreten. Im Wettkampf der Gesundheitssysteme schneidet ein Land vergleichsweise am schlechtesten ab, das faktisch keines hat. Jedenfalls hat es keines in unserem Sinne, also kein verpflichtendes. Während der extreme Neoliberalismus in den USA, manche beschompfen ihn als Raubtierkapitalismus, Kranke und Sieche am Straßenrand privater Barmherzigkeit überläßt, haben wir uns in Deutschland schon seit Bismarcks Sozialgesetzen für einen anderen Weg entschieden, den der Solidarität.
Ich sehe das überbordende soziale Umverteilen der letzten Jahre als verhängnisvoll an. Die Staatsquote ist viel zu hoch. Der deutsche Adler kröpft einen zu großen Anteil des Erwirtschafteten in seinen dick gewordenen Bauch hinein, um ihn wieder hochzuwürgen und umzuverteilen, wie es gewisse Sozialingenieure für gerecht halten. Das ist ein sozial-extremistischer, linksradikaler Übelstand.
Genauso von übel ist das andere extrem. Ich möchte in keinem Staat mit tuberkulösen Bettlern am Straßenrand oder anderen hilflosen Personen leben. Eine industrielle Massengesellschaft bedarf unbedingt einer verpflichtenden Krankenversicherung. Der liberale Extremismus besteht in den USA darin, Menschen sich selbst und oft hilflos ihrem Schicksal zu überlassen.
Demgegenüber machen wir in Deutschland im Grundsatz alles richtig. Ist der Begriff auch in Verschiß geraten und verdächtig, fühlen wir uns im Grunde immer noch als Volksgemeinschaft, in der einer für den anderen in der Not einsteht und in der im Notfall alle das Schicksal aller teilen. Das haben wir, oft schmerzlich, gemeinsam erfahren müssen. Auf dieser Solidarität baut unser Sozialsystem auf, das sich heute bewährt und als besser zeigt als die Systeme anderer Länder.
OVG Greifswald: Der Rechtsstaat funktioniert
Überall aber, wo Menschen, Gremien oder Behörden Macht zuwächst, besteht die Gefahr unnötiger Machtanmaßung. Gegen ihre Gefahren haben wir uns das Grundgesetz und einen Rechtsstaat zugelegt. Dieser hat soeben die Landesregierung von Mecklenburg zurückgepfiffen und in ihre Schranken gewiesen. In einem $ 4a einer Regierungs-Verordnung hatte sie ihren Landeskindern verbieten wollen, Ausflüge an Seen oder ans Meer zu machen.
Das Oberverwaltungsgericht des Landes in Greifswald hat diese Vorschrift auf einen Eilantrag hin aufgehoben.
Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit zwei Beschlüssen vom heutigen Tag in ge-richtlichen Eilverfahren (Az. 2 KM 268/20 OVG und 2 KM 281/20 OVG) § 4a der Verordnung der Landesre-gierung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Mecklenburg-Vorpommern (SARS-CoV-2 Bekämpfungsverordnung) in der Fassung vom 8. April 2020 vor-läufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt. Mit § 4a der Verordnung war für den Zeitraum der Osterfeiertage den Einwohnern Mecklenburg-Vorpom-merns untersagt worden tagestouristische Ausflüge zu den Ostseeinseln und in die Gemeinden, die unmit-telbar an die Ostseeküste angrenzen, sowie in die Stadt Waren an der Müritz und in mehrere Ämter der mecklenburgischen Seenplatte zu unternehmen.
Pressemitteilung des OVG Greifswald vom 9.4.2020
Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht Eilanträge gegen die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen abgewiesen, weil sie unzulässig waren. Das trifft auch so zu. Wer sich gegen eine Grundrechtsverletzung des Staates wehrt, muß erst die Fachgerichte anrufen. Das hat der Antragsteller des Verfahrens vor dem OVG Greifswald richtig gemacht. Man muß nicht immer sofort zum Bundesverfassungsgericht, sonst würde dieses vor lauter Verfahren arbeitsunfähig. Jedes Verwaltungsgericht kann überprüfen, ob eine angewandte Rechtsverordnung Verfassungskonform ist.
Das OVG Greifswald hat gute Arbeit geleistet. In unserem Rechtsstaat rumpelt und kracht es zwar an vielen Stellen gewaltig. Das Verwaltungsrecht aber, da sind sich Verwaltungsrechtler einig, ist die „Krone des Rechts“. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit funktioniert. Sie weiß:
Das Ziel, Leben und Gesundheit zu schützen, kann daher die Einschränkung grundrechtlicher Freiheiten rechtfertigen. Entscheidend ist, ob die zum Schutz vor dem Corona-Virus ergriffenen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels erstens geeignet und zweitens erforderlich sind und ob sie drittens auch im Sinne einer Vorteils- und Nachteilsabwägung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.
Dietrich Murswiek, raus aus dem Ausnahmezustand, 31.3.2020
Diese Voraussetzungen sind verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt nachprüfbar. Die Nachprüfung hat im Falle Mecklenburgs ergeben, daß den Bürgern ungeeignete und deshalb auch unnötige Maßnahmen auferlegt wurden.
Selbst wenn eine Maßnahme generell geeignet ist, eine Gefahr zu verringern, darf sie nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen. Wer wegen jährlicher tödlicher Unfälle das Autofahren völlig verbieten würde, würde unverhältnismäßig handeln. Die durch ein solches Verbot angerichteten Schäden wären größer als die Vorteile. Darum muß in der Sache der Coronaepidemie genauestens hingeschaut werden, welche Nachteile körperlicher, seelischer und ökonomischer Art der Bevölkerung täglich entstehen.
Diese realen Nachteile müssen abgewogen werden durch die potentiellen Nachteile für Schwerkranke, die eine zusätzliche Belastung durch Corona vielleicht nicht überstehen würden.
Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel untersucht mit seinem Team die Corona-Opfer in der Hansestadt, und er hält die Angst vor dem Virus für überzogen. In Hamburg sei bisher kein einziger nicht vorerkrankter Mensch an dem Virus gestorben, sagt Püschel der „Hamburger Morgenpost“. „Dieses Virus beeinflusst in einer völlig überzogenen Weise unser Leben. Das steht in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die vom Virus ausgeht“, sagt der renommierte Rechtsmediziner. „Ich bin überzeugt, dass sich die Corona-Sterblichkeit nicht mal als Peak in der Jahressterblichkeit bemerkbar machen wird.“
„Alle, die wir bisher untersucht haben, hatten Krebs, eine chronische Lungenerkrankung, waren starke Raucher oder schwer fettleibig, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.“ Das Virus sei in diesen Fällen der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Sein Team habe gerade die Leiche der ersten 100-Jährigen untersucht, die mit Covid-19 gestorben sei. Hier sei es der allerletzte Tropfen gewesen.
DIE WELT 8.4.2020: In Hamburg ist niemand ohne Vorerkrankung gestorben.
Wenn solche Patienten und Gefährdete in anderer Weise vor einer Infektion geschützt werden können als durch einen Stillstand der Wirtschaft und Stubenarrest für die Bevölkerung, ist das Ausmaß der derzeitigen Beschränkungen nach heutigem Wissensstand nicht mehr verhältnismäßig und darum nicht mehr rechtmäßig. Es richtet mehr Schaden an als Nutzen und sollte in vernünftigen Schritten abgebaut werden.
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