Klaus Kunze

Monat: August 2022

Delegitimierer, Zersetzer und andere Nagetiere

Der SPD-Verfassungsschutz hat eine neue Feindgruppe erspäht: die Delegitimierer. Sie zersetzen angeblich den Glauben an unseren Staat.

Das BfV hat daher den Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Die diesem Phänomenbereich zugeordneten Akteure zielen darauf ab, das Vertrauen in das staatliche System zu erschüttern und dessen Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen. Dies versuchen sie zu erreichen, indem sie unter anderem demokratisch gewählte Repräsentanten des Staates verächtlich machen, staatlichen Institutionen und ihren Vertretern die Legitimität absprechen, zum Ignorieren gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen aufrufen, staatliche oder öffentliche Institutionen (z.B. der Gesundheitsfürsorge) mittels Sachbeschädigungen sabotieren oder zu Widerstandshandlungen gegen die staatliche Ordnung aufrufen. Diese Verhaltensweisen stehen im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen wie dem Demokratie- oder dem Rechtsstaatsprinzip.

Webseite des Bundesamttes für Verfassungsschutz, abgerufen am 31.8.2022

Wir wollen diesen angeblichen Widerspruch einmal hinterfragen.

Die Gesellschaft, ihre Büttel und ihre Feinde:
Der Künstler Anton Yakovlev alias Toni Sart ließ sich von Tolkiens Fantasy-Figuren inspirieren.
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Der erste Konservative

„Ich verabscheue Neuerungen“

Konservativ empfindet, wer die Welt liebt, wie sie ist. Warum sollte er alles umstürzen? Michel de Montaigne (1533-1592) zählte noch keine vierzig Jahre, da setzte sich der gewesene Richter zur Ruhe. In seinem 16 Schritt durchmessenden Turm zog er sich zu seinen etwa 1000 Büchern zurück: zumeist lateinische Ausgaben antiker Klassiker. Er lebte fortan von seinen Gütern.

Tour de Montaigne: Michel de Montaignes Turmbibliothek befindet sich in der 2. Etage (Foto Heinrich Salome 2009, Wikipedia)

Offen gibt sich Montaigne als Konservativer zu erkennen:

Ich verabscheue Neuerungen, welches Gesicht auch immer sie tragen mögen, und ich habe Grund dazu. weil ich äußerst verhängnisvolle Auswirkungen hiervon erleben mußte. Jene, die uns nun schon seit fünfundzwanzig, dreißig Jahren so hart zusetzt, hat zwar nicht alles allein angerichtet, aber man kann mit einigem Recht sagen, daß sie zumindest mittelbar alles erzeugt und hervorgebracht hat – sogar die Untaten und Zerstörungen, die seitdem ohne sie, ja gegen sie verübt werden.“

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Die Blutspur von Vanini bis Rushdie und der Mauerbau

Gefangen in der eigenen Ideologie

Wo das Weltbild sich schließt, fängt die Borniertheit an. Ein geschlossenes Weltbild schließt den eigenen Verstand ein und neue Argumente aus. Sinnfällig wurde eine Selbstbornierung im Gedankenkäfig der eigenen Ideologie, als die Kommunisten heute vor 61 Jahren, am 13. August 1961, West-Berlin abriegelten und mit dem Bau von Mauer und Sperranlagen begannen. Die Einmauerung der eigenen Bevölkerung hielt vor der Geschichte nicht stand. Das Freiheitsbedürfnis der Menschen sucht sich immer seinen Weg.

Man kann die europäische Geschichte unter vielen Gesichtspunkten betrachten. Aus Sicht geistiger Freiheit und ihrer Bedrohung zeigt sie ein geografisches Muster: Dem europäischen Altertum lag der Gedanke ganz fern, Menschen umzubringen, weil sie etwas nicht glauben wollten. Aus religiösem Fanatismus geborene Intoleranz, Haß und Gewalt sind Importe aus dem Orient. Sie behaupten: Es gibt eine ewige Wahrheit, und zwar nur eine, und wir allein kennen sie. Weiterlesen

Die bunten Seifenblasen platzen lassen

Mit Ideen und Idealen beherrscht man Menschen

Mit Religion beherrscht man Menschen: Bis hierher dürft ihr noch denken. Ab hier müßte ihr einfach glauben! Jede Herrschaft beruht entweder auf nackter Angst oder auf dem Glauben der Beherrschten, die Herrschaft stehe mit ewigen Gesetzen in Einklang.

Auch das deutsche Volk wird mit solchen Glaubenslehren eingeschüchtert und beherrscht. Nur wer sie erfolgreich untergräbt, hat eine Chance auf Freiheit.

Es gibt viel Gutes, das zwar von einem klugen Mann erkannt wird, aber doch keine so in die Augen springenden Gründe in sich hat, um andere von seiner Richtigkeit überzeugen zu können. Kluge Männer nehmen daher zur Gottheit ihre Zuflucht.

Niccolo Machiavelli, Discorsi, 1531, Buch I., 11.

Man legt seine Gesetzesbefehle einfach einer Gottheit in den Mund, dann werden sie willig befolgt. So klärte der italienische Humanist über die Funktion der Religion auf. Weiterlesen

Die Rückkehr des Schicksals

Projekt der Moderne

Der moderne Mensch versucht verzweifelt, aber erfolglos, seinem Schicksal zu entrinnen. Man kann das geistige Projekt der Moderne geradezu als den Versuch verstehen, alle Schicksalhaftigkeit aus seinem Weltbild zu verbannen.

Mittelalterliche Christen hatten sich noch in Demut vor der Macht Gottes gebeugt: Menschenschicksal liege „in Gottes Hand“ – ein personifiziertes Schicksalsverständnis. Die Neuzeit als geistesgeschichtliches Phänomen begann, als humanistische Gelehrte Gott als Schicksalsspender funktionslos machten:

Der Humanismus, repräsentativ verewigt durch die kleine Schrift Pico della Mirandolas über die Würde des Menschen, beginnt die Konstruktion seines Ideengebäudes mit einer im Grunde nur notdürftig kaschierten Gotteslästerung. Die biblische Offenbarung, wonach jeder einzelne Mensch ein Ebenbild Gottes sei, wird von seinen transzendenten theologischen Wurzeln und den praktischen Demutsermahnungen getrennt. Die jeweils einzelne Gottesebenbildlichkeit wird zur Identität des Menschseins schlechthin gemacht, wenn jeder Mensch auf Erden in den Rang eines gottgleichen Schöpfers erhoben wird und jeder als Schöpfer seines Schicksals, im Range gleich.“

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