Klaus Kunze

Monat: Dezember 2023

Francis Bacon und die Schwurbler

Wie sich das eherne Gesetz der Oligarchie bestätigt

Als Staatsmann und englischer Parlamentarier hat Francis Bacon (1561-1626) Schwurbler verabscheut.

Englisch nüchtern mochte er auch mittelalterliche, scholastischen Argumentationsketten nicht und war Gegner „spitzfindiger Diskussionen, die keine neuen Erkenntnisse bringen.“ Er setzte auf eingehende Naturbeobachtung und das Experiment. Die Empirie trat anstelle der Deduktion von Oberbegriffen, die man nur glauben, aber nicht beobachten konnte.

Innerhalb eines Staates beobachtete Bacon keine Menschengleichheit, sondern den gebildeten Adel hier  – und dort „Pöbel“. Als Zeitgenosse des absolutistischen Staatsdenkers Jean Bodin (1529-1596) war er überzeugt, daß eine stabile Regierung zum Besten aller sei, die Schwurbelei des Pöbels aber zu Aufruhr und verderben führe.

Aus seinen Essays SERMONES FIDELES SIVE INTERIORA RERUM steht in der ältesten mir bekannten deutschen Übersetzung[1] das Kapitel XV. DE SEDITIONIBUS ET TURBIS [2] unter der Überschrift

Jüngere Übersetzungen von DE SEDITIONIBUS ET TURBIS bevorzugen statt Schwurbeln (für lateinisch turbis) Begriffe wie Unruhen, was auch nicht falsch ist. Weiterlesen

Sag mir, wo die Mythen sind,

wo sind sie geblieben, was ist geschehn?

Der Verlust der Kindheit ist unwiederbringlich. Nicht mehr umkehrbar ist auch die Aufklärung über alles Geheimnisvolle, Verborgene, Mythische: Es existiert nur im Kopf.

Glänzende, kugelrunde Kinderaugen vor dem brennenden Weihnachtsbaum, das gruselnde Frohlocken, wenn die böse Hexe im Ofen landet, Zauber der Kindheit – wohin seid ihr entschwunden?

Mit dem Erwachsenwerden beginnt, bei den meisten Menschen mit IQ über 100, das kritische Denken. Zweifelndes Selbst-Denken ist eine Angewohnheit, die man dann niemals mehr ablegen kann. Der Verlust des Märchenhaften besitzt eine individuell-emotionale und eine hochpolitische Dimension. Diese besteht darin, daß der Mythos Kollektive zusammenhalten kann. Er stiftet Identität. Er vermag Menschen sogar in aussichtsloser Lage Kraft zu geben und in Nibelungentreue zusammenzuschweißen. Negative Mythen von seiner eigenen Verworfenheit aber können ein Volk neurotisieren.

Der Verlust

Der Verlust des Metaphysischen hat bei vielen Glaubensbedürftigen einen Phantomschmerz hinterlassen. Weiterlesen

Bücher, die für immer prägen

Erstpublikation: freilich-magazin 20.12.2023

Das innere Gesetz, nach dem wir antreten, geben wir uns selbst. Es gibt keine Freiheit ohne diese normative Selbstbestimmung. Auf dem Weg zu ihr können Bücher hilfreich sein. In Zeiten ideologischer Herrschaftsansprüche bildet für uns Untertanen das Lesen geradezu einen subversiven Akt.

Γνῶθι σεαυτόν!“ stand am Apollotempel von Delphi: „Erkenne dich selbst!“ Am besten erkennt man jemanden inmitten von ihm geliebter Bücher. Doch liebt er sie, weil sie von Anfang an seinem tiefsten Selbst entsprachen, oder haben umgekehrt erst die Bücher ihn dazu gemacht, was er jetzt ist? Welche haben mich in den Grundlagen meines Denkens dauerhaft bestärkt?

Vielleicht ist es ein wechselseitiger Prozeß. Um über meine fünf wichtigsten Bücher zu schreiben, muß ich die Unbelangbarkeit des neutralen Beobachters aufgeben und vieles von mir selbst preisgeben. Da mag sich einer mir dann geistesverwandt fühlen oder auch nicht, wenn er mich schon als Neunjähriger in Schmetterlingsbüchern lesen sieht, denen bald Werke des Verhaltensforschers Konrad Lorenz und anderer Biologen folgten. Weiterlesen

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén