Der SPD-Verfassungsschutz hat eine neue Feindgruppe erspäht: die Delegitimierer. Sie zersetzen angeblich den Glauben an unseren Staat.

Das BfV hat daher den Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Die diesem Phänomenbereich zugeordneten Akteure zielen darauf ab, das Vertrauen in das staatliche System zu erschüttern und dessen Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen. Dies versuchen sie zu erreichen, indem sie unter anderem demokratisch gewählte Repräsentanten des Staates verächtlich machen, staatlichen Institutionen und ihren Vertretern die Legitimität absprechen, zum Ignorieren gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen aufrufen, staatliche oder öffentliche Institutionen (z.B. der Gesundheitsfürsorge) mittels Sachbeschädigungen sabotieren oder zu Widerstandshandlungen gegen die staatliche Ordnung aufrufen. Diese Verhaltensweisen stehen im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen wie dem Demokratie- oder dem Rechtsstaatsprinzip.

Webseite des Bundesamttes für Verfassungsschutz, abgerufen am 31.8.2022

Wir wollen diesen angeblichen Widerspruch einmal hinterfragen.

Die Gesellschaft, ihre Büttel und ihre Feinde:
Der Künstler Anton Yakovlev alias Toni Sart ließ sich von Tolkiens Fantasy-Figuren inspirieren. Wie in jeder guten Gesellschaft lauert mit dem niedlichen Nagetier unten rechts das heimtückische Element der Zersetzung und wartet auf seine Gelegenheit.

Selbst in der besten Gesellschaft lauert das heimtückische Element der Zersetzung überall und wartet auf seine Gelegenheit, unseren Staat von unten zu beknabbern. Die Damen im Bild des Künstlers Yakovlev zeigen gern, daß jedermann ihnen zu nahe treten darf. Aber jeder Oberverdachtschöpfer weiß sofort: Sie stehen sich vor dem Nachtclub in Wahrheit nur die schönen Beine in den Bauch, um die moralische Weltordnung zu delegitimieren!

Demokratieprinzip

Was besagt das Demokratieprinzip? Da stellen wir uns erst mal ganz dumm und fragen im Grundgesetz und beim Bundesverfassungsgericht nach. Art.20 Abs.2 GG lautet:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Und unser höchstes Gericht sieht es im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen:

Das Demokratieprinzip ist konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Demokratie ist die Herrschaftsform der Freien und Gleichen. Sie beruht auf der Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger (vgl. BVerfGE 44, 125 <142>). Das Grundgesetz geht insoweit vom Eigenwert und der Würde des zur Freiheit befähigten Menschen aus und verbürgt im Recht der Bürger, in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen, zugleich den menschenrechtlichen Kern des Demokratieprinzips.”[1]

BVerfG, Urteil vom 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 –, BVerfGE 144, 20-369 (LT 1-9), Rn. 542.

“Delegitimierer” wären nach dem SPD-VS wohl Leute, die kein Vertrauen “in das staatliche System” mehr haben” und deshalb das Recht der Bürger beseitigen wollen, “in Freiheit und Gleichheit durch Wahlen und Abstimmungen die sie betreffende öffentliche Gewalt personell und sachlich zu bestimmen”?

Aufgrund seiner überlegenen Fähigkeiten, die wahren Absichten und hintergründigen Pläne der Bürger zu durchschauen, meint er zu wissen, wann jemand nicht bloß einen unfähigen Parteipolitiker als unfähig bezeichnet, sondern zugleich das demokratische Wahlrecht beseitigen will. Wenn der Demonstrant freilich unsere Verfassungsordnung als faschistisches Schweinesystem bezeichnet und Transparente mit Mördern wie Che Guevara als Monstranzen hochhält, dürfte er sich über einen solchen Verdacht nicht wundern. Solche Kommunisten hatten für demokratische Wahlen nichts übrig.

Rechtsstaatsprinzip

Ein wenig leichter haben wir es beim Rechtsstaatsprinzip. Wer grundsätzlich nicht den inneren Frieden hält, sondern gewalttätig vorgeht und dadurch ständig das Gewaltmonopol des Staates ignoriert, hat mit dem Rechtsstaat nichts am Hut.

Läßt sich etwa feststellen, daß Anhänger einer Partei in einer ihr zurechenbaren Weise Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele anwenden, spricht dies dafür, daß die Partei das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennt und insoweit auf eine Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtete Ziele verfolgt. Zugleich wäre eine der Partei zurechenbare Anwendung oder Billigung von Gewalt ausreichend, um davon ausgehen zu können, dass das Handeln der Partei hinreichend qualifiziert eine Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorbereitet.

BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 –, BVerfGE 144, 20-369 (LT 1-9), Rn. 580

Das sind Menschen, die Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele bejahen und einsetzen. Es sind allerdings nicht Leute, die nach der angeordneten Auflösung eines maskenfreien Spaziergangs wegen seiner Gesundheitsgefahren nicht schnell genug machen, daß sie vor den Gummiknüppeln wegkommen, und die sich dann wider Willen zu Boden geworfen und in ein Knäuel mit behelmten Polizisten verstrickt sehen. Nur wer “Gewalt zur Durchsetzung seiner politischen Ziele” einsetzt, mißachtet die Rechtsstaatlichkeit.

Nun entsteht der Eindruck, der SPD-Verfassungsschutz unter Haldenwang könnte die Verächter der Rechtsstaatlichkeit und des Demokratieprinzips nicht wahrnehmen, weil er seinen Kopf in die falsche Richtung gedreht hält. Fackelzüge von Demonstranten, die im Stechschritt nach einen neue Führer rufen, sieht man seit Jahrzehnten eher selten. Demonstrantengewalt ist ein linksextremes Phänomen.

Legalität und Legitimität

Es ist die politische Linke, die jahrzehntelang Gewalt so lange zur Durchsetzung ihrer Ziele benutzt hat, bis sie an die Macht kam. Ist sie erst einmal an der Macht, verhauen ihre Polizisten jetzt Leute, die für “rechts” erklärt werden und für die man jetzt so nette Schimpfworte benutzt wie Coronaleugner, Schwurbler oder Verschwörungstheoretiker.

Für die Linke ist Protest so lange legitim, wie er links ist. Richtet er sich gegen linke Herrschaft, wird er über Nacht illegitim, auch wenn er legal ist. Legalität bedeutet bekanntlich die Übereinstimmung mit Verfassung und Gesetzen. Die Legitimität einer Herrschaft oder einer Maßnahme erkennt man hingegen daran, daß sie mit der metaphysischen Werteordnung übereinstimmt, die den jeweiligen Gesetzen und Maßnahmen zugrundeliegt.

Wehrhafte Demokratie 1975 aus linker Sicht: Franz Josef Strauß scheucht die roten Ratten in ihre Löcher (Quelle: Phil-Fak-Zeitung. Hrg. Studentenschaft der Philosophischen Fakultät, Christoph Küppers und Norbert Ludwig (Kommunistische Hochschulgruppe) und Ede Moser (Juso-Hochschulgruppe), Köln, Dezember 1975, S.17).

So fiel unseren jungen Politikern und Richtern eines Tages auf, daß der frühere § 175 StGB mit seiner Strafbarkeit von Homosexualität selbst zur Zeit seiner Geltung bis 1994 illegitim gewesen sein soll. Seine “Opfer entschädigt” man jetzt, auch wenn sie damals legal verurteilt worden waren.

Legitimität ist ein höchst dehnbarer Begriff, weil er an Weltanschauungen, Ideologien oder theologische Überzeugungen anknüpft.

Ausgerechnet diese dehnbare Kategorie soll jetzt vom SPD-Verfassungsschutz genutzt werden, von heftiger Bürgerkritik an SPD-Politikern auf die finstere Absicht zu schließen, gleich den ganzen “Staat zu delegitimieren”. Als legitim dürfte nach diesem Fehlschluß nur ein Partei- oder ein Parteienstaat linker Prägung gelten. Nur indem sich die Regierungsparteien und ihre Politiker sich als “der Staat” fühlen”, können sie eine Kritik an sich, eine “Delegitimierung” ihrer Person oder Partei, als “Delegitimierung des Staates” verstehen.

Eine unaus­ge­spro­che­ne Selbst­­einschät­zung als Staatspar­teien er­möglicht es, jeden An­griff ei­ner Kon­kurrenz­partei auf ihr Machtmonopol juri­stisch wie pro­pa­gandistisch als Angriff auf Staat und Verfas­sung umzu­deu­ten. So pflegten par­teiangehörige “Verfassungsschützer” in je­nen verwal­tungs­ge­richtlichen Verfah­ren der Republikaner ab 1993 ge­gen ihre nach­­rich­ten­dienst­liche Beobach­tung re­gel­mä­ßig der Opposi­tion als Beweis für ihre angeb­liche Ver­fas­sungs­feind­lichkeit an­zukreiden, daß diese “die demokrati­schen Par­tei­en” politisch hart attackiere; woraus ge­schlossen werden müsse, daß die Partei den demokratischen Ver­fassungsstaat be­kämp­fe.

Die Partei­politik färbt das Bild der zu schüt­zenden Verfassung[2]

Während das benachbarte Ausland De­mo­kratie gelassen prak­tiziert, ze­lebrieren wir sie feier­tags, unterwerfen sie aber alltags einem Deutschland ei­gen­tümlichen, büro­kratischen Kontrollap­pa­rat namens “Ver­fas­­sungsschutz (VS). Dieser deutsche Son­derweg hatte in den 1950er Jahren den Zweck, kom­munisti­sche Subversanten aus der DDR oder fossile Altna­zis zu erkennen und an einer Macht­ergreifung zu hindern. Die Demo­kratie darf sich nicht selbst abschaffen, so die Lehre von 1933. Um sie verteidi­gen zu können, war der Parlamen­tarische Rat einem Rat Carl Schmitts gefolgt und hat sie wehrhaft ausgestaltet: “Wenn eine Ver­fas­sung die Möglichkeit von Ver­fas­sungs­re­vi­sio­nen vor­sieht, so will sie damit nicht etwa eine legale Methode zur Be­seitigung ihrer eigenen Legalität, noch viel weniger das legi­ti­me Mittel zur Zer­stö­rung ihrer Legitimität lie­fern,”[3] schrieb Schmitt 1932 gegen die NSdAP, die in den Reichstag schon mit der offe­nen Absicht dräng­te, das Wei­ma­rer Sy­stem ab­zu­schaf­fen. Mit Hinweis auf “grund­­le­gende Prinzipien” eines “un­ver­­än­der­lichen Ver­fas­sungs­sy­stems” be­für­wortete Schmitt Auf­lö­sung und Verbot von Grup­pierungen wie der SA durch den Reichs­präsidenten als Hüter der Verfas­sung. Die damaligen Macht­ver­hältnisse erlaubten keinen wirksa­men Verfas­sungs­schutz.

Die heutigen machen ihn überflüssig: Die frei­heitliche Demo­kratie ist in ihren Grundprinzipien allgemein anerkannt. Struk­turelle Veränderungen erlebt Deutsch­land heute takt­gleich mit seinen Nachbarländern als unvermeidliche An­pas­sungs­pro­zesse an die Rahmenbedin­gungen einer teils schon postindu­striellen Massengesellschaft in glo­baler Konk­urrenz. Wer ein grund­sätzlich anderes System erfolgreich installieren wollte, müßte mit der Demokratie zugleich diese Grund- und Rah­men­bedin­gungen verän­dern, auf denen sie beruht. Sie optimiert die funk­tio­nalen Erfordernisse der Mas­sen­gesell­schaft, kann wäh­rend ihres Be­stehens keine nachhaltig er­folgreiche Konkurrenz ha­ben und bedarf darum nicht mehr des be­hördlichen Schutzes.

Tatsächlich drohen der Verfassung heute Ge­fahren ausgerech­net von ihrem parteipolitisch mißbrauchten Beschützer. Am 15.11.1993 hieß es im SPIEGEL: “Spinnennetzartig hat sich der Ver­fas­sungsschutz ausgebreitet, seit die alliier­ten Mili­tärgou­verneure die Bundesre­publik 1949 er­mächtigten, einen Inlands­ge­heimdienst aufzubau­en…. Kaum ein Abgeordneter der Bon­ner Altpar­teien wagt es, den Dienst in Frage zu stellen.” Gleich zwei­fach wäre diese Presseansicht als ex­tremistisch zu bewer­ten, wenn man die etwa gegen die REPUBLIKANER ver­wandte verfas­sungs­schützerischen Logik anwendet: Wer “Alt­par­teien” sagt, möchte ihr zufolge ebenso “die Legiti­mitität der Wiederbegrün­dung der De­mokratie auf deut­schem Boden nach 1945 angrei­fen”, wie wer rückblickend auf alliierte Ein­flüsse verweist.[4] Weil aber der SPIEGEL nicht als “extremistisch” gilt, mag er das schrei­ben, wohingegen solche Formulierungen den REP in VS-Berichten als Be­weis an­ge­kreidet werden: Sie kön­nen das­selbe nur verfassungs­feindlich meinen, weil sie Ver­fas­sungs­feinde sind; und daß sie es sind, erweisen wieder ihre – im Lichte des Vorverdachts – nur verfas­sungsfeind­lich versteh­ba­ren Meinun­gen. – Daß REP heimliche ver­fas­sungs­feindliche Ziele haben, zeigt nach Meinung des VS schon ihr Programm. In ihm steht zwar nichts Ver­fassungs­feindliches,[5] womit aber nur bewiesen sein kann, wie heim­tüc­kisch sie ihre “wahren Absichten” ver­bergen. –

Derartige argumentative Winkelzüge unserer Verfassungs­schüt­zer bewegen sich entlang einer Grenzlinie, jenseits deren der wis­senschaftliche Ernst endet und die Groteske beginnt: Man glaubt sie nur, wenn man sie selbst gelesen hat. Reizwor­te wie Alt­parteien, Umerziehung oder Vaterland lösen beim VS Paw­low’sche Reflexe aus: Wer sol­che Unwör­ter benutzt, macht sich ver­dächtig. – Je­de wis­sen­schaftliche Analyse erfordert eine empi­rische Tatsa­chenba­sis, die ernsthaft analysiert werden kann – oder aber glos­siert wer­den muß. Beides, Analyse des VS oder Glosse, müs­sen un­glaubhaft je­dem bleiben, der noch nie schwarz auf weiß las, was der VS für ver­fas­sungs­feindlich hält. In einem Au­genblick spontaner Offenherzig­keit gab Prof. Mi­chael Sachs – 1998 NRW-Ver­tre­ter in der Ver­­handlung vor dem BVerwG – zu:

“VS-Berichte haben auf Per­sonen, die auf so et­was an­sprechbar sind, noch eine gewisse Wir­kung.”

Prof. Michael Sachs 1998[6]

De­zenter kann man seine Di­stanz vor den Er­zeug­nissen des ei­ge­nen Auftraggebers kaum aus­drücken. Das VS-Sammel­surium an Scheinar­gu­menten ist hier in Kürze nur an­hand ty­pischer Beispiele darstellbar.[7]

Der Mißbrauch des VS behindert die Wil­lensbildung des Vol­kes von unten nach oben mas­siv und wider­spricht damit dem De­mo­kratie­prin­zip. Der poli­ti­sche Wil­lensbil­dungs­prozeß müßte sich vom Volk hin zu den Staatsorga­nen vollzie­hen und nicht umge­kehrt.[8] Den Staats­or­ga­nen ist je­de Ein­fluß­nahme auf den Volks­willen ver­wehrt. De­mokratie wird als offe­ner, dyna­mischer und plurali­sti­scher Prozeß betrachtet. Er verträgt sich nicht mit der büro­kratischen Ambition, ihn staat­lich zu len­ken. Amtliche Autori­tät wird miß­braucht, wenn etwa “Sekten­beauf­tragte” oder Ver­fassungsschützer scheinbar objektiv “war­nen”. “Sekten seien, heißt es, fundamentalistisch, doch macht der Vorgang eine neue Tendenz zu staatli­cher Welt­an­schau­ungs­kontrolle deutlich. – Der Ei­fer un­­serer Gesinnungs-, Welt­an­schau­ungs- und und Sektenbe­auftragten, un­­serer Groß- und Klein­in­qui­si­to­ren und Wächter über ‘political cor­rec­t­ness’ ist zu einer ernsten Be­dro­hung unserer Frei­heit ge­wor­den.”[9]

Unmittelbar politisch wird der VS eingesetzt, wenn er gegen Parteien einge­setzt wird. Wenn et­wa in Mainzer Amtsstuben ein Heftlein des VS über “Rechts­extre­mistische Parteien” aus­liegt[10] und doppel­seitig über die REP berichtet, erweckt es den Anschein amtli­cher Objek­tivität und Neu­tralität. In ei­nem all­gemeinen Vor­wort setzt es Ex­tremisten mit Verfassungsfeinden gleich und und zählt an­gebliche Merkmale von Rechtsextre­mi­sten auf. Daß die REP sol­che Merkmale auf­weisen, wird nicht ausdrücklich be­hauptet, und trotzdem werden sie dazugezählt. Ähnlich ergiebig wäre ein spiegelbildliches Heftchen über “Linksextremisten” mit ei­ner allgemei­nen Schilde­rung des Marxismus und Un­ter­ka­pi­teln über die KPD, die SED, Maoi­sten und: die SPD. Indem letztere aber in Mainz regiert, wäh­rend die REP Opposition be­treiben, ist der VS einem SPD- und nicht ei­nem REP-Mi­nister nachge­ordnet – und der mißbraucht den VS für seine Partei­zwecke in amt­lichem Gewand, indem er die REP willkür­lich in dieselbe Schublade steckt wie Neonazis.

Der Mißbrauch beginnt bereits mit der osten­tativen Ver­kün­dung der “nach­richtendienstliche Beob­ach­tung”: Auf die öf­fentliche Einschätzung einer Partei wirkt sie wie ein Zeitungs­bericht über die Hausdurchsuchung bei einem Nachbarn auf Kinderpornos: Die später erwiesene Unschuld ret­tet den Ruf nicht mehr. Diese Wirkung ist beab­sichtigt. Nicht auf ausge­spähte Geheimnisse kommt es an, denn deren wurde seit Be­ob­ach­tungsbeginn nicht eines zutagege­fördert. Geheime Ziele kann eine Partei unter den Spielregeln der Massenmedi­en-De­mokratie ohnehin nicht erfolg­reich verfolgen: Ohne öffentliche Selbstdarstel­lung kann keine Partei zur Mehrheit werden. Dabei wird sie für das ge­hal­ten und gewählt, das sie darstellt, und nicht für das, was sie ist. Mitglieder und Wähler strömen dem in den Medien dominan­ten Bild einer Partei zu (oder nicht), während pa­pierene Programme oder Hinter­zimme­r­ab­sichten nichts be­wegen. Darum ist die Beobachtung an­gebli­cher ge­heimer Hin­tergedanken der Führungs­zirkel einer Partei sinnlos: Selbst wenn ihre Obe­ren Hintergedanken hätten: In­dem diese heimlich bleiben, sind sie wirkungslos. Rele­vant ist nur, was öf­fentlich ist.

Das Stigma

Darum ist eine Opposition seitens der Regie­rungspartei am ein­fach­sten zu be­kämpfen, indem ihr das Stigma des Ex­tremis­mus aufgedrückt wird. Nachdem die Etablierten und ihre Freunde in den Medien das Zerrbild neona­zisti­scher REP vermit­telten[11], blieben An­hänger aus, die dem demo­kra­tischen Selbstbild der Partei ent­sprachen, und mußte sie sich gegen Trittbrett­fahrer ab­grenzen, die ih­rem Zerrbild zuströmten. Den Kampf um Selbst­bestim­mung ihrer Identität konnten die REP bis­lang nicht gewin­nen. Aus dem demokratischen Mitglieder- und Wähler­po­tential schöpfen sie nur tröpf­chenweise, weil sie ihrer ei­ge­nen Klien­tel als ex­trem gelten. Das Bestimmungs­recht des ei­genen poli­tischen Stand­orts und des mit ihm verbunde­nen so­zialen Gel­tungsanspruchs steht auch einer Par­tei zu,[12] wird aber etwa den REP “amtlich” ge­nommen.

Den qualifizierten Funktionärsstamm und die Selbst­bestim­mung ihres politi­schen Stand­orts können Konkurrenz­par­teien einer Partei entwin­den, wenn sie über den VS verfügen und ihn miß­brau­chen. Beamte stellen in Parteien, etwa die Lehrer in der SPD, das personelle Rückgrat. In den vergangenen zehn Jah­ren ver­ließen hunderte Beamte die Re­publikaner wie­der, nachdem sie von ih­rem Dienstherrn Brie­fe mit der offenen Drohung eines Disziplinarverfahrens für den Fall erhalten hat­ten, daß sie nicht austreten: Der Dienstherr “stufe die Re­publika­ner als recht­sex­tremistisch ein”. Weil Beamte je­derzeit aktiv für die frei­heit­li­che demokrati­sche Grundordnung (FdGO) eintre­ten müssen, setze sich dem Verdacht eines Dienst­vergehens aus, wer ihre Ziele fördere. Es ist aber kein Fall bekannt, in dem allein die Parteizugehö­rigkeit bei den Re­publikanern zu einer Entfernung aus dem Dienst ge­führt hätte. Wo Beamte in selte­nen Fällen so viel Mut bewiesen, die Partei nicht zu verlas­sen, scheiterte ihre dienstrechtliche Ver­folgung vor den Verwal­tungsgerichten.[13]

Andererseits erleiden etwa Offi­ziere durchaus Nachteile, wenn ihnen etwa we­gen ih­rer REP-Mitgliedschaft die Si­cher­heits­stu­fe aberkannt wird,[14] ihnen ein Charakter­mangel vor­geworfen[15] oder sie als dienstlich un­geeig­net ange­se­hen und nicht befördert werden.[16] So ist die Strategie der SPD- und CDU-In­nenmi­nister aufgegangen: Der Mitglie­der­stamm an Beamten brach den Re­publi­kanern weg mit der Folge eines per­sonel­len Quali­tätsver­lu­stes. Aber nicht nur Beamte werden durch die Qualifizie­rung als “extremistisch” im VS-Be­richt “belastet, läßt sich doch im de­mo­krati­schen Verfassungsstaat – abgesehen von schweren Strafta­ten – kaum ein Vorwurf denken, der schwe­rer wöge als derje­nige , daß jemand darauf ausge­he, die Fun­damente der freiheit­lichen Verfassung zu beseitigen.”[17] Je stärker Vater­landsliebe abge­lehnt und Verfassungs­patriotis­mus gefordert wird, desto mehr verschiebt sich das Ansehen des an­geblichen Ab­weichlers vom noch harmlosen “Radikalen” der späten 60er über den “Extremisten” bzw. Verfassungsfeind zum Staats­feind oder ideologischen Hochverräter.

Seinem gesetzlichen Auftrag zufolge sichert der VS die wehr­hafte Demo­kratie als “Auge der Poli­tik” ab: Ausge­wogen beob­achtet er ringsum, spürt die Verfas­sungs­feinde in ihren verbor­genen Win­keln auf, durchschaut ihre hintergründi­gen, gehei­men Pläne und meldet sie den demo­kratisch ge­wähl­ten Politi­kern. Die­se entscheiden, ob sie sich noch partei-poli­tisch damit aus­einan­dersetzen, oder ob die Gefahr für die De­mokratie nur durch staatliches Verbot abgewendet werden kann. Die­ses spricht bei Parteien das BVerfG, bei sonsti­gen Gruppie­run­gen der Innen­minister aus. So wurden Anfang der 50er Jahre KPD[18] und SR­P[19] als Parteien und in den letzten Jah­ren eine Reihe neo-na­tionalsozialisti­scher Gruppen als sonstige Ver­eini­gun­gen verbo­ten.[20]

Tatsächliche Feinde der Demokratie pflegen ihr Verbot gelas­sen zu neh­men. Auf wechselseitiger Feind­schaft beruht schließlich ihre Ideologie, und ein Verbot bestä­tigt scheinbar ein­drucksvoll diese Feindschaft: Man fühlt sich we­nigstens ernst genommen. Ebenso se­hen es von ihrer Warte die Demo­kra­ten: Auch ihr Konzept beruht auf der schon von Ver­fas­sungs wegen anerkann­ten Antagonie von Freund und Feind: hier die wehrhafte Demokratie – dort ihre Feinde. Nie­mand stellt in Frage, daß auf der einen Seite der geistigen Bar­rikade die De­mokraten kämpfen und auf der anderen ihre ver­schiede­nen Feinde. Die­ses wohlgeordnete Schema stören nur, die kei­nen unangefochtenen Platz auf der ge­wünschten Seite fanden. Von der Ideologiekontrol­le der einen wie der an­deren Seite verwor­fen, schwanken sie zwischen enttäuschter Zunei­gung zur ei­nen und der extremen Übersteigerung ihrer Werte auf der an­de­ren Seite hin und her. In dieser Lage befan­den sich die Grü­nen, be­vor sie zur etablierten Parla­mentspartei wurden, und in ihr be­finden sich seit zehn Jahren die Republi­kaner.

Ihrem Selbstverständnis nach wollen sie, wie heute die AfD, nicht das System ver­ändern, sondern innerhalb des Ver­fassungsbogens den von der CDU geräumten rechten Flügel besetzen. Doch damit verstie­ßen sie ge­gen die oberste Räson der Union zu ihrer Machterhal­tung: Es darf rechts von ihr keine de­mokratische Partei geben! Die REP mußten daher zu Extremisten ge­stempelt werden. In einer Studie der Kon­rad-Ade­nauer-Stiftung von April 1989 taucht bereits der Satz auf: “Daher scheinen mir die nach­ste­­­hen­den Metho­den der Stig­matisierung der REP erfolg­reicher zu sein.”[21] Um das Stigma quasi amtlich zu machen, wiesen die Landesin­nenmini­ster ihre VS-Ämter im Dezember 1992 an, die Partei künftig mit nach­rich­tendienstlichen Mitteln auf Ver­fas­sungs­feindliches zu beobachten.

Dagegen half den REP keine öffentli­che demo­kratische Kon­troverse, weil die Mikrophone der ARD für sie ausgeschal­tet blieben. Man sprach über sie, aber nicht mit ihnen. So blieb der Weg zu den Verwaltungsgerichten als Notbehelf, doch gibt es keine “positive Feststel­lungsklage”, mit der eine Partei auf An­erkennung ihrer Verfassungstreue klagen könnte. Die politi­sche Auseinanderset­zung wird seither auf Nebenschauplätzen mit justiz­förmigen Mit­teln der Verfas­sungs­interpre­tation aus­ge­tra­gen. – Im Kampf um die richtige Interpre­tation rechtspoliti­scher Begriffe siegt aber, wer die Entscheidungs­kompetenz über ver­schie­dene Aus­legungsmöglichkeiten be­sitzt. Es ist ein offenes Ge­heimnis, daß die letzte Interpretation so allge­meiner Begrif­fe wie Ge­rechtigkeit oder Freiheit Glaubens­sache und die Ent­schei­dungs­macht über sie zur Frage des Par­teien­proporzes im BVerfG geworden ist. Vor einfachen Ver­waltungsgerichten sind die Prozeßergebnisse hingegen so vor­herseh­bar wie Lotto­zahlen.

So sind die Waffen ungleich verteilt, wenn eine große Bundes­tagspartei um ihre Macht fürchtet: Sie regiert Länder oder gar den Bund und ver­fügt damit über die Schaltstellen des Staats­appara­tes: In­nenmi­nisterien, VS und – darauf kommt es auf dem Felde der Rechts­aus­einandersetzung an: die Rich­terstellen. “Es wird von keinem Sachkenner be­zwei­felt, daß in Deutsch­land weit mehr als in anderen westlichen De­mokratien Beam­ten­schaft, aber auch Gerichte, mit Per­so­nen, die aufgrund ih­rer Par­tei­zu­ge­hörigkeit er­nannt oder befördert wurden, durch­setzt sind.”

Das Orakel

Daß in zu­nehmendem Umfang in wichtige Stellen nur Partei­angehörige be­rufen werden, gilt nach ver­breiteter Auffas­sung auch bei her­vor­gehobenen Rich­terpositio­nen.[22] Und wem die “Deu­tung der Ora­kel der Ge­rechtig­keit an­ver­traut ist”, durch­schaute schon Pufendorf 1667, wird er­fah­rungs­ge­mäß “die­se Göttin be­we­gen können, nichts zu antwor­ten, was wi­der den ei­ge­nen Vorteil ist.”[23] Der “eigene” Vorteil: Das ist nicht immer ein direkter persön­licher Vor­teil eines Richters. Teilt aber generationsbedingt ein wesentli­cher Teil der Richterschaft die ideologi­sche Grundposition seiner Regierungspartei, urtei­len also etwa Alt-68er Richter dar­über, ob ein SPD-Verfas­sungs­schutz ideologisch korrekt han­delt oder eine kleine, rechte Par­tei, sind die Wei­chen gestellt. Hinzu kommt ein guter In­stinkt der meisten Richter für karrierefördernde Urteile.

Ein Mainzer Verwaltungsrichter erklärte mir telefo­nisch unumwun­den, ich könne mir doch vorstellen, was ein Urteil gegen den VS für politische und öf­fentliche Folgen hätte, und glaubte wohl nicht ernsthaft daran. “Seien Sie nicht unpoli­tisch,” er­teil­te “aus ei­ge­ner Erfah­rung” ein Richter am BGH “einen freund­lich-wohl­wollenden Rat­schlag”, son­dern passen Sie sich dem Zeit­geist, das heißt dem Geist der Herren unserer Zeit, an; … Nehmen Sie sich ein Bei­spiel an …erg.: Roman Herzog. Er hat nicht nur ein fei­nes Emp­finden, woher der po­liti­sche Wind weht, sondern weiß auch, wer ihn macht. Der Gleichheitssatz gebie­tet keine Gleich­be­hand­lung al­ler gesell­schaftlichen Grup­pen. Eine geläu­terte Rechts­auf­fassung er­kennt klare Unter­schiede, aus denen sachliche Dif­fe­ren­zie­rungs­grün­de für eine Un­gleichbe­handlung herzu­leiten sind. Ist es etwa kein re­le­van­ter Differen­zierungs­grund, wenn man das Wäh­ler­po­tential im Au­ge hat? … Im übrigen: Sie rücken in die Nähe eines Ver­fas­sungs­fein­des, wenn Sie Zwei­fel an den Dif­fe­ren­zie­rungen un­se­rer obersten Rechts­verwal­ter vom Schloßplatz bei der An­wen­dung des Gleich­heits­satzes äu­ßern. Alle Bürger sind gleich, aber einige sind glei­cher als die ande­ren. Wissen Sie nicht, daß Not kein Gebot kennt und wo ge­hobelt wird, Späne fallen?”[24]

Carl Schmitt und der Verfassungsschutz

So öffnet die verwaltungsrichterliche Recht­sprechung der po­li­ti­schen Oppor­tunität Tür und Tor. Obwohl sie partei­po­li­ti­schen Mißbrauch des VS verhin­dern sollte, bewegt sie sich zuweilen hart am Rande der Rechtsbeugung. Paradig­mati­sch für das Zu­sammenspiel von VS-Behörden und Gerichten sind die zahl­rei­chen Prozesse der Re­publikaner gegen ihre Beob­achtung seit 1989.[25] Die VS-Gesetze der Länder erlauben den Einsatz von V-Leuten und Anwendung anderer nach­rich­ten­dienstlicher Mittel, wenn Anhaltspunkte den Ver­dacht einer Be­strebung be­gründen, der sich gegen die FdGO richtet. Wäh­rend über die Verfas­sungsmäßigkeit einer Partei gem. Art. 21 II GG nur das BVerfG entscheiden kann, standen Ver­waltungsrichter vor der heiklen Aufgabe zu ent­scheiden, ob ein­zelne Anhaltspunkte ei­nen “Verdacht” sol­cher Bestrebungen begründeten. Richter, de­ren Aufgaben ge­wöhnlich in der Über­prüfung von Asyl­anträgen oder Bauge­nehmigun­gen liegt, sollten etwa ent­schei­den: Be­gründet der Rat in einem Parteirundschreiben, man solle ein­mal Bücher des Prof. Carl Schmitt lesen, den Ver­dacht ver­fas­sungs­feindli­cher Bestre­bungen?[26]

Dieser Vorwurf des VS gegen die Re­publikaner wurde still­schweigend fallen­gelassen nach dem Hinweis, daß Schmitt als geistiger Urheber der “Ewig­keits­klausel” in Art.79 III GG gilt. Seither hat sich in den VS-Berichten und in der Begrün­dung der Be­obachtungs­praxis ein fester Kanon an Vor­würfen gebildet: Re­publikaner verunglimpfen Institutionen des demokratischen Rechts­staats und diffamieren demokra­tisch ge­wählte Politiker, in­dem sie die hinter ih­nen stehenden Partei­en “Altparteien” nen­nen. – Republikaner trach­ten die De­mok­ratie zu delegi­timieren, indem sie angeblich einen Zu­sammen­hang zwi­schen der Umerziehung durch die Alli­ierten nach 1945 und der Legitimität der Demokratie herstellen. – Republikaner zwei­feln Grund­normen der Verfas­sung an, denn sie “leugnen die deutsche Ge­schichte”, indem sich ge­gen “monokausale Deu­tun­gen der Kriegs­schuld” und “Geschichts­fäl­schun­gen” wen­den. – Sie sind nationalistisch-kol­lektivisti­sch, was man daran er­kennt, daß sie das Volk als “Schicksals- und Sprachgemein­schaft” be­zeichnen. – Vor allem aber beanstanden Verfassungs­schüt­zer und Gerichte gele­gentlich dra­stische kriti­sche bis zu ge­schmack­losen Äußerun­gen über Ausländer wie etwa, es müsse sich “bis in den letzten Negerkral her­um­spre­chen, daß wir die hier nicht haben wollen.”

Die Vorwürfe der “Geschichtsleugnung” oder etwa der es Kol­lek­tivismus gegen jemanden, bloß weil er “Vaterland” sagt, wur­den in zu­nehmendem Maße von Verwaltungsge­richten als nicht stich­haltig verworfen. Auch als Verfassungsfeind den an­zuse­hen, der “Altparteien” sagt, erschien 1998 den Verwal­tungs­ge­rich­ten Mainz[27] und Berlin[28] zu simpel. Sie erklärten die nach­rich­ten­dienst­liche Be­obach­tung für rechtswidrig. Als “aus­län­der­feindlich” an­ge­se­hene Äu­ßerungen hingegen kri­stallisier­ten sich als Haupt­argument ge­gen die Par­tei heraus. Wenn Re­publikaner Einwände ge­gen Mina­rette neben Kirchen und in Wohn­gebieten er­heben oder wenn sie “schnelle Abschie­bung von Schein­asylanten” fordern, dann knüpfen Verfas­sungsschüt­zer daran in­quisitorische Konstruktio­nen: Wer sol­ches verlan­ge, lautet die auch von man­chen Gerichten gebilligte Folge­rung, wende sich “gegen das friedliche Zu­sammenleben” mit Auslän­dern und damit gegen deren Menschenwür­de. Weil aber das Gebot der Menschenwürde oberster Verfassungsgrundsatz sei, liege die Ver­fassungsfeindlichkeit der Partei klar vor Au­gen.

Im vor dem OVG Koblenz laufenden Prozeß des Landes Rheinland-Pfalz ge­gen die in erster Instanz siegreichen Re­pu­blikaner gegen die Beob­achtung ver­stieg das Land sich sogar zu einem sei­nerseits verfas­sungsfeindlichen Gipfel: Es stehe zwar nur im Grundgesetz, daß die Achtung der Menschenwürde eine Verpflichtung aller staatli­chen Gewalt sei. Es komme aber heute dar­auf an, “normative Be­grif­fe wie frei­heitli­che de­mo­krati­sche Grundord­nung und Men­schen­würde nicht sta­tisch zu inter­pre­tie­ren.” An­ders als vor dreißig Jahren müsse man in diese Be­griffe heute hin­einle­sen, “was dem friedlichen Zusam­men­leben von 7 Mio. Ausländern mit uns diene und was dafür er­for­der­lich sei.”

Die Verfassung als Wundertüte

Das Land behauptet, Art.20 GG ga­ran­tie­re “die Republik als ei­ne Verfas­sungs­ordnung der friedli­chen Koestistenz von Ras­sen und Kulturen.”[29] Tatsäch­lich lautet die Vorschrift:

“Die Bun­desre­publik Deutschland ist ein de­mokrati­scher und sozia­ler Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Ab­stim­mungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der voll­zie­henden Gewalt und der Rechtsprechung ausge­übt. Die Gesetz­gebung ist an die verfas­sungsmäßige Ordnung, die vollzie­hende Gewalt und die Recht­sprechung sind an Recht und Ge­setz ge­bunden.” –

Art. 20 GG

So wird die Ver­fassung wie eine Wun­dertüte be­nutzt, aus der man jeden beliebi­gen ideo­logi­schen Inhalt her­aus­lesen kann. Darin liegt ein Ab­schied von der un­ver­brüch­li­chen Herr­schaft des Ge­setzes und ein Bruch des Rechts­staatsprinzip aus dem soeben zi­tierten Art.20. Wer das Gesetz durch einen Vor­be­halt wechselnder ideo­logi­scher Aus­legungen relati­viert, ver­än­dert die Natur des politischen Kon­flikts: Er wird nicht mehr mit rechtlichen, son­dern mit ideolo­gischen Waffen ausge­tra­gen. Er geht den Weg vom Rechtsstaat zum Weltanschauungsstaat. Überdies verbietet sich diese aus­deh­nende Neu­in­terpre­tation durch Art.79 I 1 GG, weil das GG nur durch aus­drückli­che Wort­lautände­rung geän­dert werden darf, auch wenn sich Verhältnisse ge­ändert ha­ben soll­ten.

Eine nachhaltige Gefahr für die Fd­GO geht von einem Verfas­sungsver­ständnis aus, das die öffent­liche Meinung zu bestimm­ten Sachthemen obrig­keitlich lenkt: durch auf Steuer­zahlerko­sten ge­druckte Wahlzeitungen mit Annoncen “Mein Freund ist Ausländer” etwa, durch scheinbar be­hördlich-objektive VS-Be­richte und eine Beobach­tungs­praxis, die eine konservative Par­tei durch den Ruch der Ille­galität stigmatisiert. Die Öf­fent­lich­keitsar­beit darf aber nicht durch Ein­satz öffent­li­cher Mittel den Mehr­heitsparteien zu Hilfe kom­men und die Op­po­si­ti­ons­partei­en be­kämp­fen. Das ist mit den Grund­sätzen ei­nes freien und of­fe­nen Prozesses der Mei­nungs- und Wil­lens­bil­dung des Vol­kes und der Gleich­be­rech­­tigung der politischen Par­tei­en nicht ver­einbar.[30] Es gilt das Ge­bot des grund­sätz­lich staats­freien und offe­nen Meinungs- und Wil­lensbil­dungspro­zes­ses vom Volk zu den Staatsorganen[31] und nicht umgekehrt. Der VS-Bericht ist hin­gegen eine ideologische Kampfansa­ge an die betreffende Partei, ein Ausgrenzen aus dem Kreis derer, die sich legiti­mer­weise am demo­kratischen Willens­bil­dungsprozeß beteili­gen dür­fen, und zu­letzt eine mas­sive Form der politischen Wil­lensbildung von oben nach unten. So gesehen ist der VS in Händen der regie­renden Parteien ein zum Bock ge­machter Gärtner.

Multikulti als Verfassungsgrundsatz?

Mehr noch: Indem ein Land einen Verfas­sungsgrundsatz des friedlichen Zusammenlebens eines Plurals von Ras­sen und Kulturen erfindet, trachtet es den Sou­verän un­serer Demokratie, das deut­sche Volk nämlich, durch eine multi­kul­tu­relle Be­völ­kerung zu ersetzen. Dieses Ziel verfolgen man­che Rot-Grünen auch mit ihren Plänen zur Massenein­bürge­rung. Christiane Hu­bo hat das als eine Trans­formation des Staa­tes durch den VS oder auch als kalten Ver­fas­sungs­putsch be­zeich­net.[32] Auch der Bon­ner Verfas­sungsrechtler Isen­see be­zeich­nete es als Staats­streich des Parla­ments:

“Die Proble­matik besteht darin, daß ge­plant wird, durch einfa­chen Gesetzes­beschluß des Par­la­ments das deut­sche Volk um­zu­definie­ren und auf einen Schlag drei Millionen Per­so­nen als Deutsche zu be­stimmen, obwohl diese sich nicht zur Gemein­schaft des deutschen Vol­kes, son­dern zu der eines ande­ren, im wesentli­chen des türkischen be­kennen. Eine sol­che ob­rig­keitli­che Umdefinition durch das Parlament liegt au­ßerhalb seiner verfassungsrechtlichen Be­fug­nisse.” [33]

Josef Isensee, Ein Staatsstreich des Par­laments, DIE WELT 6.1.1999

Umdefinitionen jeder Art übersteigen nicht nur die Kompetenz des VS. Verfas­sungsschutzberichte sollten sich auf Tat­sachen be­schränken und nicht fragwür­dige polito­logische In­ter­pre­ta­tio­nen als amtlich erhärtete Fakten ausgeben.

Es geschieht keineswegs zufällig, wenn Verwaltungsrichter Vaterlandsliebe als Verdachtsgrund für Rechtsextremismus werten, Strafrichter Lieder des Sängers Rennicke als schwer jugendgefährdend verurteilen und Zivilrichter erlauben, Rechte als braune Ratten zu bezeichnen. Ich könnte Ihnen ein Sammelsurium von Urteilen vorstellen und vor Augen führen, daß Rechte seit Jahren rechtloser sind als jemals in der Nachkriegsgeschichte. Flächendeckend befindet sich die deutsche Justiz auf Linkskurs, werden Konzerte rechter Sänger verboten, rechte Demonstrationen untersagt und weggeknüppelt, holen Polizisten bei Trauerfeiern mißliebige Schleifen und Angebinde von Gräbern, und wir müssen uns bereits wieder beim freien Wort am Stammtisch scheu umdrehen, ob uns nicht ein Gesinnungsblock­wart lauscht und bei der Staatsanwaltschaft anschwärzt, weil wir vielleicht nicht nett genug über Zi­geuner, über Asylbe­werber, Polen oder andere Hätschelkinder linker Multikulturpflege gesprochen oder auch nur gewitzelt haben. Rechte Werthaltungen wurden erst von linken Ideologen delegitimiert und zu Unwer­ten erklärt. Inzwischen spre­chen Richter im Namen des Volkes Unwerturteile über alle diejenigen aus, die dieses Volk noch lieben und es erhalten möchten: illegitim!


[1] (vgl. BVerfGE 123, 267 <341>; 129, 124 <169>; 135, 317 <386 Rn. 125>; BVerfG, Urteil vom 21. Juni 2016 – 2 BvR 2728/13 u.a. -, juris, Rn. 124; Häberle, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 61 ff.; Unger, Das Verfassungsprinzip der Demokratie, 2008, S. 252 ff.).

[2] Ab hier siehe Klaus Kunze, Verfassungsschutz ist nicht gleich Schutz der Verfassung, Die Parteipolitik färbt das Bild der zu schützenden Verfassung, in: Hans-Helmuth Knütter, Stefan Winckler (Hrg.), Der Verfassungsschutz, München 2000, ISBN 3-8004-1407-4.

[3] Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932,  55 f., 61, 74.

[4] Exemplarisch: OVG Lüneburg U.v. 26.6.97 -13 L 383/95-: “Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Zielsetzungen erge­ben sich jedenfalls aus der ständigen Ver­wendung des Begriffes der “Umerziehung” für die Wiederbegründung der deutschen Demokratie unter dem Ein­fluß der westalli­ierten Besatzungsmächte nach 1945.”

[5] BGH U.v.27.9.93, NJW 94, 43: kein In­diz für Verstoß des Parteiprogramms ge­gen Grundsätze der FdGO.

[6] Verwaltungsrechtsstreit Bundesverwal­tungsgericht -BVerwG 3 C 55.96- Republi­kaner ./. Innenministerium NRW wegen Genehmigung einer parteinahen Stiftung, mündliche Verhandlung vom 12.2.1998.

[7] Ausführlich; Klaus Kunze, Geheimsache Politprozesse, Systemwechsel durch Umin­terpretation: Verfassungs­schutz und Ge­richtsbarkeit nach dem linken Marsch durch die Institutionen  am Beispiel der Republi­kanerverfolgung, Uslar 1998,  ISBN 3-933334-05-5, S.21-167.

[8] BVerfG E 20, 56 (99) = NJW 1966,1499 (1503).

[9] Martin Kriele, 1.Zitatsatz: Sekte als Kampfbegriff, FAZ 6.4.1994, 2. Zitatsatz: Leserbrief in FAZ 4.5.1994.

[10] Dez.1998, Hrg. Min.d.Innern und für Sport.

[11] Etwa indem anläßlich von Parteitagen die ARD nicht über die gehaltenen Re­den be­richtete, sondern die Stiefel vermutlich be­stellter Skindheads vor der Halle abbildeten und dazu die Ansicht der Journalisten über die mutmaßlichen Ansich­ten von glatzigen Stiefelträgern verbreiteten.

[12] BGH NJW 1983, 1415, OLG Köln NJW 85, 273.

[13] Etwa VG Münster B.v.24.2.95 – 15 K 4889/94.0; OVG Münster Beschluß v. 12.10.95 6d A 2690/95.0, VG Münster 15 K 959/97.O, VGH Kassel, 7.5.1998, 24 DH 2498/96 DVBl 98, 1095 L .

[14] BVerwG B.v. 13.10.98 1 WB 86.97, NVwZ 99,299 im Falle eines Majors: Das BVerwG prüfte nicht die Verfassungsmä­ßigkeit der REP, sondern beließ den Dienstvorgesetz­ten einen Beurteilungsspiel­raum: Wenn “Fachbehörden” wie der VS und einige Ver­wal­tungsgerichte Verdachts­momente sähen, “Bedenken gegen die Eig­nung nicht ausgeräumt”.

[15] Wehrdisziplinaranwalt beim Truppen­dienstgericht Nord Az.25-01-24 V 174/97.

[16] Fall eines Oberleutnants der SFOR mit REP-Parteibuch, der nach bestandenem Lehrgang seine Hauptmannsstelle und Be­förderung nicht bekam, “Weil er vom MAD als Extremist” eingestuft wurde (laufendes Verfahren BVerwG 1 WB 40., 41. und 42.99.

[17] Dietrich Murswiek, Staatliche Warnun­gen, Wertungen, Kritik als Grund­rechts­ein­griffe – Zur Wirt­schafts- und Meinungslen­kung durch staatliches In­formati­onshandeln,  DVBl 1997, 1021.

[18] BVerfG Urteil vom 15.8.1956, BVerfGE Bd. 5, S. 85 ff., sog. KPD-Urteil

[19] BVerfG Urteil vom 23.10.1952, E Bd.2, S.15 f., sog. SRP-Urteil.

[20] FAP, Wiking-Jugend BVerwG B.v.21.4.95 NJW 95,2505, Nationalistische Front, Nationaler Block VGH München, 26.1.1994, 4 A 93.2151 NVwZ-RR 95, 200 u.a.

[21] “Überlegungen zur Strategie der CDU ge­genüber den REP”, April 1989, Hrg. Grund­satz- und Planungsabteilung der Konrad-Adenauer-Stiftung, S.2.

[22] Jochen A. Frowein Die Macht, die übers Geld gebietet, Parteien und Verfas­sungs­staat, FAZ 13.9.1996

[23] Samuel von Pufendorf, De statu Imperii Germanici, 1667, Die Verfassung des Deut­schen Reiches, Hrg.Horst Denzer, Frankfurt/M.1994, S.165.

[24] Falk Frhr.von Maltzahn, Leserbrief FAZ 27.5.1994.

[25] Übersicht bei Klaus Kunze, a.a.O., S.13 ff.

[26] Prozeß Rep.NRW ./. Land NRW, VG Düsseldorf 1 L5758/92.

[27] VG Mainz U.v.10.12.97 7 K 102/94.MZ.

[28] VG Berlin U.v. 31.8.98, NJW 99, 806.

[29] OVG Koblenz, Rechtsstreit 12 A 11774/98.OVG, Schriftsatz des Landes Rheinland-Pfalz, Autor Prof. Friedhelm Hu­fen, vom 26.2.1999, S.7.

[30] BVerfG E 44, 125 (150) = NJW 1977,751.

[31] BVerfG NJW 1966, S.1499.

[32] Christiane Hubo, Verfassungsschutz des Staates durch geistig-politische Aus­einan­der­setzung, Ein Beitrag zum Handeln des Staates gegen Rechts, Disserta­tion Speyer-Göt­tin­gen 1998, S.247-256.

[33] Josef Isensee, Ein Staatsstreich des Par­laments, DIE WELT 6.1.1999.