Unser Volk zwischen „Alles für Deutschland“ und „Deutschland verrecke“

Wenn der Lebenswille einen Menschen verläßt, hilft keine Medizin mehr. Das gilt nicht nur für individuelle Menschen, sondern auch für Menschengruppen. Uns Deutschen hat man den Lebenswillen weitgehend ausgetrieben.

Caspar von Schrenck-Notzing (1927-2009) hat in seinem Klassiker „Charakterwäsche, Die amerikanische Besatzung in Deutschland und ihre Folgen“, 1965) im Detail nachgewiesen, durch welche Maßnahmen die deutsche Psyche verändert und zerstört wurde. Aber unser Krisensyndrom hat viele Gründe. Zu kurz griffe, daß die Deutschen in weiten Teilen der Gesellschaft tiefgreifend neurotisiert sind.[1] Davor haben weitsichtige Autoren frühzeitig gewarnt.[2] Wer von Kindesbeinen an eingeredet bekommt, seine Eltern, Großeltern und so fort seien Verbrecher gewesen, und wer schulisch von Geßlerhut zu Geßlerhut geschleppt wird, um sich dort rituell zu verbeugen, hat die Wahl, einzuknicken oder vom Angeklagten zum Inquisitor zu werden.[3]

Vor allem die Gymnasien und die geisteswissenschaftlichen Studiengänge haben mehrere Generationen junger Inquisitoren produziert, die sich jetzt bewußt als Gegenbild, als Opposition zu jedem als deutsch verstandenen Lebenswillen verstehen: In ihrem neurotischen Selbsthaß verkehren sie alle Werte, die unser Volkstum stabilisieren, in ihr bewußtes Gegenteil. Sie akzeptieren ihr eigenes, deutsches Selbst nicht, leiden an ihnen indoktrinierten Schuldgefühlen und flüchten sich seelisch ins multikulturelle Nirwana.

Der Mechanismus ist altbekannt. Schon die Bibel redete den Menschen in einem ersten Schritt ein, sie seien allesamt Sünder. Sie schämten sich dann, zum Beispiel ihres Nacktseins und suchten Erlösung in den Phrasen ihrer Priester. Der französische Science-Fiction-Autor Pierre Bordage (*1955) projizierte den immergleichen Mechanismus romanhaft in eine fiktive Kirche einer fernen Zukunft:

Ich spreche von den Resten kreuzianischer Dogmen in deinem Kopf … Seit Jahrhunderten arbeitet die Kirche daran, die Menschen von ihrem Menschsein zu entfremden. Regeln, Gebote und Verbote sind nichts anderes als nützliche Werkzeuge, um Schuldgefühle bei den Gläubigen zu erzeugen. Menschen, die Schuld auf sich geladen haben, lieben sich nicht. Und da sie sich nicht lieben, fliehen sie in die Religion, suchen dort ihr Heil und vertrauen ihre Seele den Predigern, Priestern und Missionaren an. […] Ich rede von der Akzeptanz des eigenen Selbst.

Pierre Bordage, Die Sternenzitadelle, 2010 bei Heyne (La Citadelle Hyponéros, 1995)

Wer an sein eigenes Selbst nicht glaubt und nicht auf sich selbst vertraut, ist besonders anfällig für Fanatismus. Er schließt sich gern irgendwelchen Heilspredigern an, Gurus, Klimaaposteln oder gleich einer komplexen Wahnideologie: jedenfalls irgendeiner großen, heiligen Sache, deren Bedeutung sein eigenes kleines Selbst weit übersteigt und für die er jetzt zu leben und zu sterben bereit ist.

Diese Neurotisierung der Deutschen begann nach Beobachtung des Psychiaters Meinhard Adler in den 1960er Jahren im Rahmen sogenannter Faschismusverarbeitung als

zunehmende, man möchte sagen exponentiell ansteigende, inhaltlich als instrumentell zu charakterisierende, Auseinandersetzung mit dem traumatischen Ereignis. Charakteristisch für deren Mechanismus ist ferner die die Steigerung des […] neurotischen Verhaltens umgekehrt zur persönlichen Betroffenheit. Mit anderen Worten, nicht der schlimmste persönliche Erlebnisgrad macht die stärkste deformierende Wirkung aus, sondern umgekehrt diejenigen, die, um es salopp zu sagen, relativ ‚günstig‘ davongekommen sind, werden am stärksten betroffen. In der Psychiatrie ist dies ein besonderes Signum für die Schwere der Neurose.

Meinhard Adler, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, 1990, ISBN 3-631-41611-3, S.180.

Darum sehen gewisse Linke überall „Nazis“, wo ihnen jemand widerspricht. Adler bezeichnet es als Kollektivneurose (ebenda S.181). Das neurotische Ergebnis bestand darin, daß die betroffenen 1968er überall nur noch Nazis und in der Bundesrepublik finstere präfaschistische Strukturen am Werke sahen. Seitdem sind weitere Generationen geboren worden und zum Teil von den Neurotikern der 1960er und 1970er Jahre, vom Kindergarten über die Schule und Universität bis hin zu den Schaltstellen der Medien, fremdbestimmt und ihrerseits neurotisiert worden. Von der Klassenfahrt nach Auschwitz führt die Karriere über Antifa- und Klimademos bis in die Lehrerzimmer und die Redaktionsstuben unseres Staatsfernsehens.

Sie haben kollektiv die Macht ergriffen. Ganz Deutschland ist ideologisch besetztes Land. Ganz Deutschland? Nein, da gibt es durchaus noch kleine deutsche Dörfer, weiße Flecken auf der Landkarte. Je weniger ein junger Mensch durch die Mühlen der staatlichen Lernanstalten gedreht worden ist, desto unberührter bleibt er vom paranoiden Wahn des Schuld- und Sühne-Establishments und seiner Betroffenen. Es gibt sie überall noch, jene freien Geister, die lebendigen Fische, die nicht mit dem Strom schwimmen. Manchmal blitzen unter dem erstickenden Leichentuch der Selbstverfluchungen an ganz unerwarteter Stelle und bei Autoren, von denen es gar nicht zu erwarten war, Geistesblitze hervor.

Bernd-Otto Robker, 1972 in Bramsche geboren, schreibt unter seinem Pseudonym Robert Corvus im aktuellen Fortsetzungsheft der größten SF-Serie der Welt:

Eine Kette von Nachkommen: Für Lebensformen wie unsere ist das die natürliche Form der Unsterblichkeit.

Robert Corvus, Täuscher und Helfer, PR 3298, November 2024, S.5.

Recht hat er. Mit Selbsthaß ist das allerdings nicht zu machen. Das Volk in Corvus‘ Zukunftsroman ist natürlich ein fiktives. Nicht ausgedacht hat er sich allerdings, was passiert, wenn Paare immer nur ein Kind haben. Seine

Frauen konnten, durch biologische, vor allem aber durch kulturelle Prägung – beides induziert durch Eingriffe […] – nur ein einziges Kind gebären. […] Daß viele Schiffe Kolonien anderer Spezies aufnahmen, konnte nicht verschleiern, daß diese Kultur in der Gleichgültigkeit des kosmischen Zeitenlaufs verdunstete.

Robert Corvus, ebenda, S.14.

Unsere an der Macht befindlichen linksextremen Minderheiten scheinen geradezu besessen zu sein von einem neurotischen Amoklauf nationaler Selbstzerstörung: „Deutschland soll verrecken!“ lautete die Devise manches ihrer Verantwortlichen, als sie so etwas vor Jahren bei Demonstrationen auf mitgeführte Banner schrieben. Es sind die Kinder und Enkel planvoll krank gemachter Generationen, die sich vom Tod ihres eigenen Volkes persönliche Erlösung von ihrem Geburtsschicksal erhoffe, ihrer Erbsünde deutsch zu sein. Wie in den letzten Wochen 1945 – sie wissen schon, wer, besessen gewesen zu sein schien, möglichst viel mit in den Abgrund zu reißen, lassen neurotisierte Fanatiker alles im Orkus verschwinden, was Deutschland einst groß und stark gemacht hatte. Hinter ihnen liegt ein geistig-kulturelles Trümmerfeld, und im Augenblick ist gerade die Wirtschaft dran.

Vor dem ständigen moralischen Inquisitionstribunal, Deutsche zu sein, zerbrachen sie. Die eigenen Eltern und Vorfahren, das eigene Land, die eigene Identität: alles verbrecherisch, Kinder eine Tätervolkes. Völkisch? Teuflisch! Deutsch? Hassenswert! Sie selbst? Täterkinder! Das Perpetuum mobile der moralischen Daueranklagen gebar ein tiefes Trauma, eine Erbneurose, gezeugt aus hypertrophierter Moral und Haß, geronnen zu Selbsthaß und einer eigentümlichen Todessehnsucht. Sie sollen und wollen nicht mehr Deutsche sein dürfen. Um der Inquisition zu entkommen, wurden sie die Inquisition. Um nicht länger moralisch gequält zu werden, werden sie die Moral, verkörpern sie einen eigentümlich wahnhaften, neurotischen Hypermoralismus. Dieser fegt jetzt nicht minder erbarmungslos durch unser Land wie einstmals der Wahn ihrer Urgroßeltern, die auch das Welt vom ewigen Bösen befreien wurden und die man auch auf diejenigen Menschen hinwies, die dieses Böse angeblich verkörperten.
Klaus Kunze, Die deutschen Neurosen, 28.12.2019.

Sie bilden sich wohl ein, gute Menschen zu sein, aber edel Denkende sind sie auf keinen Fall. Diese charakterisierte Gottlieb Fichte (1762-1832) vor über 200 Jahren so:

Welcher Edel­den­kende will nicht und wünscht nicht, in seinen Kindern und wie­de­r­um in den Kindern dieser sein eigenes Leben von neuem auf eine ver­besserte Weise zu wiederholen und in dem Leben derselben ver­edelt und vervollkommnet auch auf dieser Erde noch fortzuleben, nach­­­dem er längst gestorben ist; den Geist, den Sinn und die Sitte, mit denen er vielleicht in seinen Tagen abschreckend war für die Verkehrtheit und das Verderben, befestigend die Rechtschaffenheit, aufmunternd die Trägheit, erhebend die Niedergeschlagenheit, der Sterblichkeit zu entreißen und sie als sein bestes Vermächt­nis an die Nachwelt niederzulegen in den Gemütern seiner Hinterlassenen, damit auch diese sie einst eben also verschönert und vermehrt wieder niederlegen? Welcher Edel­denkende will nicht durch Tun oder Denken ein Samenkorn streuen zu unendlicher im­merfortgehender Vervollkommnung seines Geschlechts, etwas Neues und vorher nie Da­gewesenes hineinwerfen in die Zeit, das in ihr bleibe und nie versiegende Quelle werde neuer Schöpfungen; seinen Platz auf dieser Erde und die ihm verliehene kurze Spanne Zeit bezahlen mit einem auch hienieden ewig Dauernden, so daß er als dieser einzelne, wenn auch nicht genannt durch die Geschichte … , dennoch in seinem eigenen Bewußt­sein und seinem Glauben offenbare Denk­­­ma­le hinterlassen, daß auch er dagewesen sei?“


Fichtes Reden an die deutsche Nation, Hrg. Eucken, 1915, S.132.

Unsere Gutmenschen, wollen sie uns auch am liebsten aussterben und ersetzt sehen durch Leute, die sie für eine Art edle Wilde zu halten scheinen, bestätigen in ihrem Wahn ungewollt den unlöslichen Zusammenhang zwischen individueller Person und ihrer unlösIich mit ihrem Volkstum verbundenen Identität. Die gesamte Phrasenbasis von „unserer besonderen Verantwortung als Deutsche“ setzt nämlich voraus, daß die persönliche Identität auf der Zugehörigkeit zu unserem Volk beruht und sich von ihr nicht trennen läßt.

Der moralisierende Schuldkult zum Tode ist vielen emotional so tief implantiert, daß er ihnen gar nicht mehr bewußt zu sein braucht. Jeder gesunde Mensch hat ein gerüttelt Maß an Selbstliebe. Wer aber von Kindheit an zum Beispiel durch gewisse Klassenfahrten traumatisiert ist und seine deutsche Identität als Stigma zu empfinden gelernt hat, kann diese Selbstliebe nicht aufbringen und ist auch unfähig, Liebe zu seinem Volk nachzuvollziehen. „Deutschland?“, sinnierte ein bekannter Kinderbuchautor, „damit konnte ich nie etwas anfangen!“

Eigentlich vergeht kein Tag, an dem bundesdeutsche Journalisten nicht die Abkehr vom Kinderkriegen, von Ehe und Familie predigen und uns dieses „neue kinderfrei“ als Freiheit verkaufen: „Die Ironie der Geschichte ist, daß die ‚Befreiung‘ der Frau von ihrem Muttersein vor allem die Eingliederung der Frauen in den Verwertungsprozess des Arbeitsmarktes brachte und damit mitnichten zu mehr Freiheit führte. Sondern nur zur zunehmenden Besteuerung und Belastung der Arbeitseinkommen mit noch mehr Abgaben und Steuern, um den nun zusätzlich notwendig gewordenen Umverteilungsmechanismus zu finanzieren.

Benjamin Kaiser, Kulturmarxismus, 2019

Die versuchte Austilgung des angestammt Deutschen aus der eigenen Psyche und dem Charakter unseres Landes hat bei vielen Protagonisten den Wert eines Wertes an sich angenommen. Für ihn kämpfen sie um seiner selbst willen. Einst hatte es geheißen: „Deutsch sein, heißt, einer Sache um ihrer selbst willen tun.“ Wie deutsch doch unsere volksvergessenen Moralkrieger geblieben sind! Man kann nicht vor sich selbst davonlaufen.

Überlassen wir die fanatischen Gutmenschen ihrem Selbsthaß und ihrer Buß- und Todessehnsucht. Laßt uns nicht ständig nur an die verschüttete Milch der Vergangenheit denken, sondern mit Fichte weiter voraus in die „Ewigkeit“, dorthin, wo auch der Geist von Science-Fiction-Autoren wie Robert Corvus schwebt:

Der Glaube des edlen Menschen an die ewige Fortdauer seiner Wirksamkeit auch auf dieser Erde gründet sich demnach auf die Hoffnung der ewigen Fort­dau­er des Vol­kes, aus dem er selber sich entwickelt hat, und der Ei­gen­­tüm­lich­keit desselben nach je­nem verborgenen Gesetze ohne Einmischung und Verderbung durch irgendein Fremdes und in das Ganze dieser Gesetzgebung nicht Gehöriges. Diese Eigentümlichkeit ist das Ewige, dem er die Ewigkeit sei­ner selbst und seines Fortwirkens anvertraut, die  ewige Ord­nung der Din­ge, in die er sein Ewiges legt; ihre Fort­dauer muß er wollen, denn sie allein ist ihm das entbindende Mittel, wo­durch die kurze Spanne seines Lebens hienieden zu fort­­dau­ern­dem Leben hienieden aus­gedehnt wird. Sein Glaube und sein Streben, Un­vergängliches zu pflanzen, sein Begriff, in welchem er sein eignes Leben als ein ewiges Leben erfaßt, ist das Band, welches zunächst eine Nation und vermittelst ihrer das ganze Menschengeschlecht innigst mit ihm selber verknüpft und ihrer aller Bedürfnisse bis ans Ende der Tage einführt in sein erweitertes Herz. Dies ist seine Liebe zu seinem Volke, zuvörderst achtend, vertrauend, desselben sich freuend, mit der Abstammung daraus sich ehrend.

Fichtes Reden an die deutsche Nation, Hrg.Eucken, 1915, S.135.


[1] K. Kunze, Klima, Nazis, Corona – wovor fürchten wir uns als nächstes? Wie eine neurotische Gesellschaft von einer Panikattacke in die nächste fällt, Blogbeitrag 14.3.2020.

[2] Konrad Lorenz, Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, 1973; Helmut Schoeck, Kinderverstörung – Die mißbrauchte Kindheit, Umschulung auf eine andere Republik, 1987; Meinhard Adler, Vergangenheitbewältigung in Deutschland, 1990; Caspar von Schrenck-Notzing, Charakterwäsche, 1965.

[3] Vgl. ausführlich: Klaus Kunze, Mut zur Freiheit, 1995.