… ist ein Problem des Anti-Rassismus

Dialektik ist eine feine Sache. Sie führt dazu, daß sich eine ideologische Forderung logisch selbst überrunden kann. Das geschah bereits bei der Dialektik der Aufklärung, und auch „die Geschichte“ soll schon ein Opfer der Dialektik geworden sein.

Heute beobachten wir die Dialektik des Rassismus. Gegen diese traten egalitaristische Hypothesen an. Sie behaupteten, alle Menschen seien gleich. Damit meinten sie ursprünglich „moralisch“, oder richtig ausgedrückt: metaphysisch gleich. Diese „fundamentale Menschengleichheit“ wird oft vom Verfassungsschutz wie eine Fliegenklatsche benutzt, um rechte Verfassungsfeinde zu markieren: Sie verneinen angeblich die „aus dem Grundgesetz folgende fundamentale Menschengleichheit.“

Diese besagt, daß alle Menschen in ihrem Menschsein gleich sind, also gleichwertige Personen. Dieses Postulat war eine Frucht der französischen Revolution von 1789 und drückte sich in deren Forderung nach egalité aus: Es durfte keine Standesunterschiede zwischen Menschen mehr geben, also keine hochwohlgeborenen Herrschaften hier und ihr Gesinde dort.

Vom Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts hatte man noch an die substanzielle Verschiedenheit menschlicher Stände geglaubt. Vor adligen Herrschaften verbeugte man sich oder fiel gleich ganz auf die Knie. Noch tiefer warf man sich in Demut vor dem Allerhöchsten in den Staub. Bei Priesterweihen kann das heute noch staunend beobachten, und wenn tausende Nacken sich beugen und Gesäße sich himmelwärts recken, erkennt der aufgeklärte Betrachter mit heimlichem Gruseln: hier unterwerfen sich Menschen etwas, das sie für kategorial höherstehend halten.

Der Kniefall ist ein uraltes Symbol, das von jedermann intuitiv verstanden wird. Man erniedrigt sich nicht vor jemand Gleichwertigem. Der Kniende erniedrigt sich vor jemandem, den er für substanziell höherstehend hält, für kategorial überlegen. Demokraten tun so etwas nicht. Sie sind mündige Bürger und wissen: Es gibt keine kategorial höherstehenden Menschen. Alle Menschen können sich auf Augenhöhe begegnen. Sie sind nämlich alle in ihrem Menschsein gleichwertig.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt es dem Rechtsextremismus zu, die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen zu negieren:

Unter Rechtsextremismus werden Bestrebungen verstanden, die sich gegen die im Grundgesetz konkretisierte fundamentale Gleichheit der Menschen richten und die universelle Geltung der Menschenrechte ablehnen.“

Webseite des Bundesamts für Verfassungsschutz, abgerufen am 19.11.2019

Angriffe auf die Menschenwürde

können in Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und anderen Verhaltensweisen bestehen, die dem Betroffenen seinen Achtungsanspruch als Mensch absprechen. Die Menschenwürde als Fundament aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig.

Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 11. März 2003 -1 BvR 426/02-, BVerfGE 107, 275-286, Rn. 25 – 26.

Offenkundig kann sich jeder freiwillig selbst erniedrigen. Wer aber andere dazu veranlaßt, sich zu erniedrigen, greift dessen Menschenwürde an. Es wäre noch nachzuprüfen, ob und wer zum Beispiel in Köln Polizeibeamte dazu veranlaßt hat, einen Kniefall vor anderen Leuten zu vollziehen. Den mir bekannten Fotos der letzten Tage zufolge knieten, erst in den USA, später auch in Europa, Weiße vor Negern nieder. Für die Antirassismus-Bewegung war dies offenbar ein großer Triumph.

Während die konservative Junge Freiheit gar nicht witzig fand, daß in Köln Polizisten knieten,

Deutsche Polizisten gehen vor „Black Lives Matter“-Demonstranten in die Knie

veranlaßte es regionalHeute.de zu Jubel, als sich in Braunschweig ein Sechsjähriger „gegen Rassismus“ hinkniete.

Der Anti-Rassismus überundet sich logisch selbst

Die Dialektik des Anti-Rassismus besteht darin, daß er selbst zum Rassismus werden kann. Niemand wird den jungen Kölner Polizeibeamten und dem nach seinem Namen wohl noch nicht einmal deutschen sechsjährigen Akil nachsagen können, jemals in Person irgendetwas schrecklich Rassistisches angestellt zu haben.

Willy Brandt hatte sich damals noch in einer Art Demutsgeste vor einem Warschauer Denkmal für Juden hingekniet. Er hatte noch zur „Erlebnisgeneration“ der Zeit bis 1945 gehört. Aber was unterscheidet einen jungen Kölner Polizisten in seinem Demutsritual von dem, vor den er sich kniet? Richtig, es ist seine Zugehörigkeit zu dem, was man früher als weiße Rasse bezeichnet hat. Der kniende Polizist und sein Gegenüber haben offenbar persönlich noch nie etwas miteinander zu tun gehabt. Kniet sich der eine vor dem anderen nieder, dann ausschließlich wegen seiner Rasse.

Mit Solidarität hat das nichts zu tun, denn Solidarität kann es nur auf Augenhöhe geben, als Solidarität Ebenbürtiger. Vor jemand Gleichwertigem kniet man sich nicht hin. Kniet aber ein Weißer vor einem Neger, nur weil er weiß ist und der dunkel, dann verrät sich eine in tiefstem Herzen empfundene fundamentale Ungleichheit, das Gefühl der Minderwertigkeit der eigenen und Überlegenheit der anderen Rasse. Dieses Gefühl ist unter Menschen zutiefst rassistisch und fragt auch nicht danach, ob es Rassen tatsächlich gibt.

Darin liegt die Dialektik des Rassismus – die ihn am schärfsten bekämpfen, werden am Ende selbst zu Rassisten. Wer einen anderen vor sich knien läßt, beweist, daß er Menschen nicht für fundamental gleich hält, also nicht für moralisch gleichwertig und ebenbürtig. Es gibt für solche Leute moralisch höherstehende Rassen wie Neger und moralisch tieferstehende Rasse wie Weiße. Wer denen angehört, trägt aus ihrer Sicht historische Schuld mit sich herum und nähert sich der neuen Herrenrasse am besten demütig und kniend. Das gilt dann anscheinend selbst für den sechsjährigen mutmaßlichen Türken Akil aus Braunschweig. Es ist sein Schicksal, weiß zu sein.

Rassismus und sein Gegenteil als Herrschaftsideologie

Die ideologische Homogenisierung Europas mit den USA wird schneller. Es dauert nur noch Tage, bis die neuesten Modetrends von drüben von jungen Leuten hier nachgeäfft und die Parolen nachgebrüllt werden. Als gäben internationale Nachrichten- und Bildagenturen mit dem Zauberstab ein Kommando, saugt die westliche Welt ihre Slogans auf und brüllt sie im Chor nach. Schlagworte wie „gegen Rassismus und Polizeigewalt“ gehen um die Welt und schaffen junge Wutbürger selbst, wo es gar keine zu beanstandende Polizeigewalt und keinen staatlichen Rassismus gibt.

Wem nützt das? Der koloniale Rassismus der Portugiesen, Spanier, Engländer, Belgier und anderer war zweifellos eine Herrschaftsideologie. Er hatte besagt, die Eingeborenen in Übersee gehörten minderen Rassen an, und sie zu zivilisieren sei das beste, was ihnen passieren könnte. Das haben sie wohl vielfach am Ende selbst geglaubt. Materielles und imperialistisches  Interesse ging mit der dazu erforderlichen Ideologie Hand in Hand.

Es wäre naiv, zu glauben, der moderne Anti-Rassismus sei etwas anderes als eine Herrschaftsideologie. Er wird von konkreten Menschen- und Personengruppen dazu benutzt, fremde Macht zu erschüttern und später eigene zu befestigen. Heute haben viele ein Interesse an einer Welt, in der es keine unterscheidbaren Nationen und Kulturen mehr gibt und nur noch die Gesetze des internationalen Finanzmarktes herrschen. Die Weißen machen nur noch 6% der Weltbevölkerung aus, für Marktverhältnisse ein geringer und ständig kleiner werdender Prozentsatz. Liegen der Märkte der Zukunft woanders?

Wie sehr fast die gleichen Ereignisse hinsichtlich ihrer Bewertung von ideologischen Vorgaben abhängt, zeigt ein Vergleich der Berichterstattung im SPIGEL von 1965 mit heutigem Medienframing.

Der Spiegel Nr. 35 / 1965 vom 25.8.1965, S.68, Ausschnitt.

Damals führte der SPIEGEL die Krawalle auf soziale Probleme zurück:

Die Neger wurden im vorgeblich nichtrassistischen Norden und Westen für Arbeitsplätze zuletzt geheuert und zuerst gefeuert. Folge: Mindestens jeder vierte Slum-Städter ist arbeitslos; der Rest verdient geringen Lohn für Handlanger- und Domestiken-Dienste. Schlechtbezahlte Stellungen heißen „Neger-Jobs“. In Los Angeles leben 60 Prozent der farbigen Bevölkerung zumindest zeitweilig von der Fürsorge. Im New Yorker Stadtteil Harlem, dem größten Neger-Kral der Welt, sind auf sechs Quadratkilometern 300 000 Einwohner zusammengepfercht.

Der Spiegel am angegebenen Ort, 1965

Das verwendete Wort Rassenkrawall deutete bereits an, wo der Spiegel 1965 das Problem sah: In den USA stießen Rassen aufeinander. Am 5.6.2020 sah dieselbe Zeitung die Ursachen der gleichen Krawalle völlig anders:

Schon seit Längerem sinkt in den USA das Vertrauen in eine Demokratie, die es in den mehr als 150 Jahren nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs nicht geschafft hat, den Rassismus im Land zu überwinden, in einen Rechtsstaat, der für Afroamerikaner nicht funktioniert, und in ein politisches System, das nicht verhindern konnte, daß die soziale Ungleichheit immer weiter wächst. Ohne ein gewisses Maß an Gerechtigkeit verliert die Demokratie ihre Legitimität.

Christiane Hoffmann, Die erschöpfte Nation, DER SPIEGEL 5.6.2020.

Treu blieb sich die linke SPIEGEL-Sicht auf die USA nur im Grundmuster aller linken Erzählungen: Schuld an allem Übel ist soziale Ungleichheit, die Gesellschaft ist schuld. Letztlich trifft diese Art Kritik denjenigen Teil der Bevölkerung, der innergesellschaftlich bisher erfolgreicher war als andere.

Zwischen den massenhaften Plünderungen von Geschäften und gewalttätigen Übergriffen 1965 und 2020 scheint es dem Ablauf nach mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gegeben zu haben. Die ideologische Rechtfertigung hat sich aber geändert und ihr folgend das „Framing“ in unseren Medien. Hatte der SPIEGEL noch 1965 „sinnlose Gewalttätigkeit“ am Werk gesehen, wurde 2020 von den Medien ein Sinn konstruiert und verbreitet, der auch in Europa zu objektiv sinnloser Gewalt führte.

Der Zweck bestand in der Behauptung, die weiße Mehrheitsgesellschaft in den USA sei insgesamt rassistisch und die Polizei ihr übelster Ausdruck, und der dahinter stehende Sinn besteht in der Destabilisierung konkreter Machtverhältnisse. Dagegen steht das traditionelle amerikanische Selbstverständnis, in den USA sei jeder seines Glückes Schmied, und mit der juristischen Gleichberechtigung der Nachkommen früherer Sklaven sei alles geregelt.

Dieser ideologische Konflikt verläuft quer durch die weiße Mehrheitsgesellschaft anhand soziologisch abgrenzbarer Gruppen und wird als Kulturkampf innerhalb der weißen Mehrheit erbittert ausgetragen und gewinnt in der Wahlkampfphase an Gehässigkeit.

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