Klaus Kunze

Die tiefe Angst der Vertreter vor den Vertretenen

Der Schock sitzt tief. War die Besetzung des Kapitols in Washington womöglich ein Menetekel  für unsere politische Klasse. Diese scheint das zu glauben.

Sie überschlagen sich in ihrer Kritik an den Demonstranten, die den Abgeordneten im Kapitol einmal demonstrieren wollte, wer ihrer Meinung nach die Präsidentenwahl gewonnen habe. „Angriff auf die Demokratie!“ tönt es rundum. Die latente Furcht der Vertreter vor der Macht der Vertretenen klingt in Deutschland panisch. Mit sicherem Instinkt wissen unsere Parlamentarier, die Parteivertreter und die sie umgebenden Medienleute genau: Wer ihrer Macht gefährlich werden könnte, ist einzig das Volk.

Unser politisches Establishment ist wütend: Parteien und Medien bauen auf die Macht der Repräsentanten über die Repräsentierten

Dieses soll sich ja, so die Uridee der Demokratie, selbst regieren. Weil es das nicht so kann wie auf der antiken Agora Athens oder vielleicht noch unter lauschigen Eichen im Land der Eidgenossen, muß man wohl oder übel Vertreter wählen. Weiterlesen

Wie Eingeborene einer Bananenrepublik

Daimler-Betriebsrat fassungslos

„Daimler will Motoren in China bauen – Betriebsrat fassungslos“ – so titelten mehrere Nachrichtenportale. Die Gewerkschafter verstehen die Welt nicht mehr. Wir können sie ihnen aber schnell erklären.

„Zusammen mit ihrem einst erbitterten Konkurrenten Geely und heutigen Groß-Aktionär will die Daimler AG einen komplett neuen Verbrenner entwickeln. Der Fahrzeughersteller aus China hatte in diesem Jahr bereits den Zuschlag für die Produktion des vollelektrischen  Smarts bekommen, weshalb das ursprüngliche Werk im französischen Hambach zum Verkauf steht.“

Anna Lena Schüchtle 26.12.2020 auf BW 24

schreibt Anna Lena Schüchtle am 26.12.2020 auf BW 24, „Der schwäbische Autobauer sieht sich aktuell mit einer neuen Aufgabe konfrontiert, denn China schloß jüngst ein mächtiges Bündnis, das zahlreiche Jobs bei der Daimler AG vernichten könnte. Der Grund: Laut Experten müßte der Fahrzeughersteller einen großen Teil seiner Produktion nach Asien verlagern, um auf dem Weltmarkt auch weiterhin bestehen zu können. Weiterlesen

Zwischen metaphysischem Silvesterrausch und ernüchtertem Neujahrskater

Die Wiederkehr der Metaphysik

Die Aufklärung hat alle Metaphysik philosophisch zertrümmert. Von der fixen Idee eines Jenseits, in dem Götter und Dämonen wohnen und das Gute oder Böse erfinden, blieben nur erlosche Opferkerzen und ein paar verstreute Oblatenkrümel. Das Naturrecht verlegte später die Quelle des Gut und Böse in den Menschen hinein: unmenschlich, wer Böses tut![1]

Spätestens seit Nietzsche leben aufgeklärte Menschen weit jenseits von gut und böse. Sie wissen: Menschen sind zu allem fähig, sogar dazu, mit bestem Gewissen zu begehen, was andere für böse halten. Leben wir im postmetaphysischen Zeitalter? Haben Naturwissenschaften und Rationalität die Gespenster aus dem religiösen „Jenseits“ gebannt, die unserer Natur als „normative Eigenschaften“ angeblich immanent sind?

Aufgeklärt zu sein gelingt immer nur kleinen intellektuellen Minderheiten. Wir erleben mit dem gesellschaftlich dominanten Moralismus eine wirkmächtige Wiederkehr der Metaphysik. Er beurteilt alle gesellschaftlichen Fragen aus dem Blickwinkel metaphysisch grundierten Ideologien. Weiterlesen

Kommt der totale Corona-Staat?

Die neue Sehnsucht nach dem autoritären Staat

Sie wachen morgens auf, reiben sich erstaunt die Augen und leben in einem autoritären Staat. Wer hätte das gedacht? Minister und Ministerpräsidenten rufen: „Alles hört auf mein Kommando!“, und siehe da, die Damen und Herren Untertanen stehen stramm. Bei Straßenszenen, in denen dunkle Behelmte Passanten niederwerfen und fesseln, muß man dreimal hinschauen: Ist der Film aus Weißrußland oder Deutschland?

Dort kritisieren „Staatsfeinde“ den Präsidenten, hier tragen sie nicht die vorgeschriebenen Masken. Linke Publizistik hat der Rechten immer gern eine Sehnsucht nach einem „autoritären Staat“ vorgeworfen. Jetzt können die autoritativen Regierungsmaßnahmen den gleichen Leuten gar nicht weit genug gehen. Die politische Rechte steht ihnen dagegen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Welch wundersame Wendung der Dinge!

Ganz so wundersam ist das freilich nicht mehr vor dem Hintergrund eines einfachen sozialpsychologischen Mechanismus: In der Not haben Menschen Angst und lassen sich willig führen. Weiterlesen

Gebt den Toten Heimrecht!

Lesen als subversiver Akt

Konservativ zu sein, heißt heute wohl auch: Leser zu sein und nicht Fern-Seher. Die ö.-r. Medien vermitteln gern die Illusion, über das Wichtige zu informieren. Tatsächlich vermitteln sie nur, was wir zur Kenntnis nehmen sollen. Wie in Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ kann das Lesen heute ein subversiver Akt sein. Er ist immer Minderheiten vorbehalten. Die Masse guckt, die Elite liest. Diese Minderheit trifft dann allerdings eine gewisse Pflicht, das Gelesene nach dem Schneeballsystem weiterzugeben und bloßen Gelegenheitslesern verdaulich zu machen.

Ein mir von einem Antiquar in Gießen berichteter Rückgang und Preisverfall antiquarischer Bücher resultiert im wesentlichen auch aus demographischen Gründen. Die alte, gebildete Generation hinterläßt mehr gute Bücher, als die junge, nur halb so zahlreiche und höchstens halb so gebildete, Generation aufzunehmen und zu kaufen mag.

Was du ererbt ….

Friedrich Schiller dichtete: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!“ Weiterlesen

Vom Dorfjungen in der Sowjetischen Besatzungszone zum Deutschen Mannschaftsmeister

Ein zeitgeschichtliches Dokument

Paul Tröger, damals auch Chefredakteur der „Fußballwoche“, sagte einmal: „Ich lese jetzt nur noch Biographien.“ Gerade Autobiographien spiegeln oft wie keine zweite Literaturgattung die Zeitgeschichte. Ein halbwegs realistisches Bild früherer Epochen erlangt man nur, wenn man es aus erster Hand liest.

Eine solche erste Hand ist der 1933 in Schlesien geborene Klaus Eckhard Kunze. Mit Paul Tröger, Robert Hübner und anderen wurde er 1967 Deutscher Mannschaftsmeister im Schach. Die Schachgemeinschaft des Kölner Stadtteils, SG Porz, zählte auch später zu den deutschen Spitzenvereinen.

Seine Schachlaufbahn begann er 1947 nach langem elternlosen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager. Dem abgemagerten Oberschüler boten sich in Meisdorf am Harz wenig Alternativen, das im Kopf hungrig brennende Feuer zu füttern: kein Fernsehen, fast keine Bücher, kein Internet, keine geistigen Angebote. So wurde er denn zuletzt Schachmeister. Für einen „Spitzensportler der DDR“ gab es Vergünstigungen. Weiterlesen

Die Volksgemeinschaft im Maskenkollektiv

Die sozialistische Wartegemeinschaft

Letzte Woche sah ich sie bei einem Blick aus dem Fenster wieder: Die gute, alte sozialistische Wartegemeinschaft. So nannte man in der DDR ironisch eine Warteschlange vor einem Laden, in dem es „etwas gab“. In meiner Apotheke gegenüber gab es Atemmasken für alte Leute, und so standen sie da:

Mit 1,5 m abgezirkeltem Abstand im nieseligen Dezemberwind, ihrer Gesundheit zuliebe. In der sozialistischen Wartegemeinschaft sind alle gleich. Die auserwählten „noch Gleicheren“ mußten da nicht mitstehen. Scharfsinnige Zeitgenossen haben die Schicksalsgemeinschaft im DDR-Sozialismus als Fortsetzung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft unter (leicht) variierten roten Fahnen betrachtet. Die roten Fahnen sozialistischer Revolutionen standen immer für die Macht des Kollektivs über den Einzelnen.

„Die Volksgemeinschaft ist zurück,“ stellte Jan Fleischhauer lapidar fest.

Das Ideal einer Gesellschaft, in der Egoismus und Eigensinn keinen Platz mehr haben und alle sich einem großen Ziel verpflichtet fühlen, war etwas aus der Mode geraten.

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