Alen Kopera und der phantastische Realismus

Bürgerliches Denken kann mit moderner Kunst nichts anfangen. Sie sagt ihm nichts, sie zeigt ihm nichts, sie gibt ihm nichts.

Das kann eine Kunst auch gar nicht leisten, wenn sie genau das zeigen will: das Nichts. Sie ist eben nicht gegenständlich. Statt dessen hat sie in ihrer Entwicklung jeden Gegenstand und jede Prspektive systematisch eliminiert und in miteinander austauschbare Bildpunkte, Farben oder Formen aufgelöst.

Die Auflösung aller Dinge
(Alfred Manessier, Nocturne, 1957)

Die Auflösung aller Dinge in der Malerei der Moderne entsprach der technischen Produktionsweise der industriellen Massengesellschaft. Sie beruht ökonomisch darauf, gleichförmige Massenprodukte mithilfe genormter, unter sich möglichst gleicher und miteinander austauschbarer Grundstoffe und Maschinen zu fabrizieren. Im Idealfall produktiver Effizienz nehmen die produzierenden Menschen an dieser Normierung teil und verwandeln sich in austauschbare Produktionshelfer, die innerhalb der Herstellungskette möglichst in jeder beliebigen Funktion eingesetzt werden können.

Einem solchen Massenfabrikations-Arbeiter erscheint vielleicht nachts nach dem Konsum eines solchen Massenartikels eine „Nocturne“, ein nächtlicher Alptraum der Entpersönlichung wie im Ölgemälde von Manessier hier abgebildet.

Seinem bürgerlichen Vorfahren hätte in einer solchen Nacht vielleicht noch ein Bild von Spitzweg oder Caspar David Friedrich erscheinen mögen: Bürgerliches Kunstverständnis suchte nach festen Gegenständen und der menschlichen Persönlichkeit im Bild.

Titelbild von Heinrich C. Berann (1915-1999)

Unterdessen ist die alles auflösende und neu kombinierende, die „analytisch-kombinatorische“ Denkfigur von der Kunst über die Sprachwissenschaft vorgedrungen, hat sich in der Genderforschung doppelt überschlagen und sitzt zum Gespött des Publikums verdutzt auf dem Po, umstanden von einem Publikum, das sich den Bauch hält vor Lachen, wenn es hört: Es gebe ja gar keine Männer und Frauen, Geschlechter seien bloß konstruiert. Die Epoche der Moderne hat ihren logischen Kulminationspunkt überschritten und jede Gewißheit eines feststehenden Subjekts weit weggeworfen.

„Auch wenn sie völlig untergehen sollte, ist die moderne Kultur nicht die erste, die erloschen ist, und auch nicht diejenige, nach der es weitere nicht mehr geben könnte. Im Bereich des Zeit- und Raumbedingten erlöschen hier Lichter, um anderswo wieder neu entzündet zu werden.“

Julius Evola, Revolte gegen die moderne Welt, 2.Auflage 1993, S.416.

Es gibt Künstler, die solche Lichter bergen, um sie anderswo neu zu entzünden. Der in Breslau lebende Maler Alen Kopera hat es gemalt, als wolle er Evolas Licht-Metapher illustrieren:

Er birgt das Licht
(Alen Kopera, http://www.arteclat.com/gallery/#group-149 )

Bereits Heinrich C. Beranns Titelbild für Evolas Buch weist über den Abgrund der Auflösung aller Formen und Dinge weit hinaus. Es kann ebenso einem neuen Stil zugerechnet werden wie alle Werke Alen Koperas: einem phantastischen Realismus oder Surrealismus.

Realististisch ist die Re-Volte, die Rückwendung zum Gegenstand, bei Kopera aber vor allem die Wiederentdeckung der Persönlichkeit. Er knüpft so unmittelbar und unbefangen an alte Meister an, daß er sogar ein Gemälde C.D. Friedrichs zitiert und phantastisch neu umrahmt.

Immer steht ein starkes, menschliches Gefühl zentral im Blickpunkt. Jedes Bild vermittelt ein Pathos, das magisch anzieht und sich dem Betrachter unmittelbar mitteilt. Wie Prometheus den Göttern das Feuer stahl und den Menschen brachte, birgt der Geflügelte beim Landen auf der Erde noch das Licht in seinen Händen, unendlich wertvoll und sorgsam geborgen.

Grundmotiv Koperas ist aber die menschliche Person im Widerstreit mit der Masse. Wir können die Moderne als künstlerische Verarbeitung einer Zersetzung der Persönlichkeit und ihrem Aufgehen in einer normierten Menschenmasse verstehen. Löste der moderne Künstler sie auf, indem er sie in Bildpunkten schließlich verschwinden ließ, setzt Kopera sie wieder zusammen.

Die Rückkehr der Persönlichkeit

In einem grandiosen Gemälde sehen wir beides zugleich: Die durch symbolische Vogelmasken anonymisierten und normierten Einheitsmenschen drängen wie Lemminge in den Abgrund ihrer eigenen Auflösung. Eine aber zerbricht die Maske, und als individuelle Person kann sie gerettet werden.

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Der Ausbruch der Persönlichkeit aus der Masse
( Alen Kopera, https://www.arteclat.com/wp-content/uploads/2017/03/11G-44×30-oil-on-canvas-2011-copy.jpg )

Was sie rettet, ist ihre Individualität. Sie gewinnt ihre Identität zurück gegenüber einer braunen, gesichtslosen Masse Gleichförmiger. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Kopera zeigt uns Bild um Bild lebendige Fische, Gerettete aus einem Meer der Gleichförmigkeit.

Braun und dumpf gehen Aktentaschenträger zur Arbeit. Wie viele Massenmenschen tragen sie konventionelle Masken. Sie zeigen nicht in wahres Gesicht. Sie verbiegen und verbergen ihre Persönlichkeit, ihre Identität. Innerbetriebliche Standards, vielleicht bei VW, schreiben ihnen vor, was sie an ihrem Arbeitsplatz noch zu wem sagen dürfen und was nicht. Alles bitte immer korrekt, und nirgends Anstoß erregen! – Koperas meisterhaftes Gemälde zeigt die dagegen aufbegehrende Persönlichkeit.

Das emotionale, geistige Wesen und Wollen des Menschen bricht aus wie eine metaphorische Seele aus einem Leichnam zum Licht aufsteigt.

Alen Kopera, http://www.arteclat.com/gallery/#group-103

Entheimatet, entwurzelt, anonymisiert, moralisch gleichgeschaltet und funktional normiert werden noch viele Massenmenschen wie Lemminge in den Abgrund der Auflösung aller Dinge und ihrer Persönlichkit stürzen. Sie tragen die ihnen angemessenen Charaktermasken, weil sie zu feige sind, sie zu zerbrechen.

„Für die moderne Zivilisation im Sinne der Masse kann es keine positive Zukunft geben. Am Rande der großen Weltströmungen gibt es noch Menschen, die in den ‚unbeweglichen Landen‘ verankert sind. Es handelt sich in der Regel um Unbekannte, die sich aus den Nichtigkeiten der Berühmtheit und der modernen Zivilisation heraushalten. Sie verteidigen die Gipfellinien und gehören nicht dieser Welt an. Wenn sie auch in der Welt verstreut leben und häufig nichts voneinander wissen, sind sie doch unsichtbar vereint und bilden eine unzerreißbare Kette im Geiste der Tradition. Dieser innerste Kern handelt nicht: er hat nur die Aufgabe, der die Symbolik des ‚ewigen Feuers‘ entspricht.“

Julius Evola, Revolte gegen die moderne Welt, S.417.

Dieses ewige Feuer ist ihr unzerstörbarer Drang zur Individualität, zur Identität, zur Freiheit. Man kann dieses Feuer für sich hüten. Man kann die verborgene Flamme aber auch in einem Mitmenschen wecken und nähren, gewissermaßen wachküssen:

https://www.arteclat.com/wp-content/uploads/2017/03/C13-18x26in-2013-Small.jpg
Unter der Maske der Konvention brennt das Feuer der Persönlichkeit.
Alen Kopera, https://www.arteclat.com/wp-content/uploads/2017/03/C13-18x26in-2013-Small.jpg

Dann zerbrechen die Masken der Konvention, der Angst und der Dummheit.

Verlieren wir keine Zeit!